Objekt des Monats April

Kräuterschnaps in der Königstaße

„Und zum Abschluss noch ein Verteiler!“ Häufig endet ein deftiges Essen mit diesen Worten und eine Runde Schnapsgläser wird gefüllt. Ob mit Kräuterbitter, Obstbränden oder klaren Getränken wie Wodka oder Aquavit – die Tradition des Absackers hält sich beständig. Tatsächlich ist mittlerweile medizinisch längst bewiesen, dass der Verdauungsschnaps wenig positive Auswirkung auf eben diese hat. Im Gegenteil: der Alkoholgehalt der meist hochprozentigen Spirituosen gelangt über das Blut in das Gehirn und blockiert hier Nerven. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Verarbeitung des Gespeisten im Magen verzögert wird und der Verteiler seine gewünschte Wirkung selbst außer Kraft setzt.

Der Mythos vom Alkohol

Dass wir uns trotzdem nach einem fettigen Essen besser fühlen, sobald wir einen Kräuterschnaps getrunken haben, hängt weniger mit dem Alkohol als den zugesetzten Kräutern zusammen. Diese haben die gleiche Wirkung, die auch ein Fenchel-Anis-Kümmel Tee auf den beanspruchten Magen hat. Ob nun aus Gründen des Placebo Effekts, als gesellige Tradition oder einfach nur des Geschmacks wegen – Kräuterlikör ist noch immer beliebt. Auch in Elmshorn gab und gibt es gleich mehrere Spirituosenhandlungen mit eigener Hausmarke.

Vom Ausschank zum Reformhaus

Bis heute ist der Elmshorner Trop­fen einer von Ihnen. Erfunden wurde er in den 1930er Jahren in der Königstraße 57. Wo sich heute das Reformhaus Meyn und der Sweet Friseur befinden, wurden bis in die 1970er Jahre Alkoholika hergestellt und verkauft. Bereits im März 1849 gründete Namensgeber Diedrich Albrecht Meyn die Firme Diedrich Meyn. Was mit einer Grützmühle und einem Destillierbetrieb begann, wurde mit den Jahren und nach einigen Umbaumaßnahmen zu einem beliebten Tagesausschank. Meyns Nachfolge trat im Jahr 1912 Sohn Ernst Christian Thies an, der jedoch bereits 1935 verstarb. Da es seiner Ehefrau zu der damaligen Zeit nicht gestattet war, die Firma weiter zu führen, übernahm ihr Schwager diese Aufgabe, bis das Geschäft zum Beginn des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 vorübergehend geschlossen wurde. An dieser Stelle schließt sich der Kreis, denn eben jener Schwager, Hermann Gediga, überlegte sich die Zusammensetzung eines Kräuterlikörs, der als „Elmshorner Tropfen“ Verbreitung fand.

Der Elmshorner Tropfen

Nachdem die Geschäftsflächen der Firma Diedrich Meyn in den 1970er Jahren zu einem Reformhaus umgebaut wurden, stellte die Familie auch die Herstellung des „Elmshorner Tropfens“ ein. Die Rezeptur wurde an das Weinhaus Weymann übergeben, die den Kräuterschnaps fortan am Alten Markt vertreib. Bis heute können Likörliebhaberinnen und –liebhaber den „Elmshorner Tropfen“ käuflich bei dem Getränkemarkt Dierks erwerben.

Neben dem „Elmshorner Tropfen“ gab es weitere Elmshorner Kräuterschnäpse, die in der Königstraße hergestellt wurden. Die bereits im Jahr 1773 gegründeten Privilegierten Apotheke (Königstraße 12) vertrieb den „Magendoktor“, der sich mit seiner Namensgebung auf die anfangs beschriebenen Mythen des Alkohols bezieht. Auch die Spirituosenhandlung Möhring, direkt gegenüber der Firma Diedrich Meyn vertrieb mit dem „Magenbitter Boonekamp“ einen Kräuterlikör. Für die vermeintlich wohltuende Wirkung des Erzeugnisses wirbt das Etikett mit folgenden Worten: „Dieser aus den edelsten Kräutern hergestellte Likör wirkt anregend auf Appetit und Verdauung und erfreut sich allgemeiner Beliebtheit bei Magenbeschwerden. Es sollte daher dieser hervorragende Bitter-Likör in keinem Haushalt fehlen.“

Das Team um das Projekt „Königstraße Elmshorn – 773 Schritte durch die Zeit“ geht der Elmshorner Trinkkultur auf die Spur. Mitgehen können Interessierte noch bis zum 5. Mai in der aktuellen Sonderausstellung „Der Trinkkultur auf der Spur“ im Industriemuseums Elmshorn. Weitere Einblicke in die Geschichten einzelner Betriebe geben Vorträge (25. April, um 18.30 Uhr in der Stadtbücherei Carl von Ossietzky) und Führungen durch die Sonderausstellung (28. April, um 15.00 Uhr im Industriemuseum). Wer eigene Anekdoten aus der Königstraße teilen möchte, ist am 26. April herzlich um 15.00 Uhr zum Erzählcafé in das Café mittendrin (Alter Markt 16) eingeladen.

Bildmaterial:

Der „Elmshorner Tropfen“ in ursprünglichen Flaschenform und Etikettgestaltung, im Hintergrund eine der Flaschen, in denen der „Elmshorner Tropfen“ von dem Weinhaus Weymann vertrieben wurde (© Industriemuseum Elmshorn)

Firmengründer Diedrich Meyn (2.v.links) im Garten des Hauses Königstraße 57. Rechts neben ihm sitzt Johannes Möhring. (© Privatarchiv Meyn)

Hermann Gediga hinter dem Tresen des Tagesausschanks in der Königstraße 57. In diesem Gebäudeteil befindet sich heute das Reformhaus Meyn. 1930er Jahre (© Privatarchiv Meyn)

Nicht nur im Hause Meyn wurde Kräuterschnaps hergestellt. Die Spirituosenhandlung Möhring vertrieb den Magenbitter Boonekamp in der Königstraße 56 (© Industriemuseum Elmshorn)

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