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Die Firma Boldt in der Königstraße 59 und 61

Von 1906 bis 1985 ließ das Geschäft der Familie Boldt in der Königstraße 59 und 61 Kinderherzen höher schlagen. Neben Spielwaren gehörten auch Haushaltswaren, Möbel, Porzellan, Glas, Kinderwagen und Korbwaren zu dem Sortiment. Während an dieser Stelle die Firmengeschichte beschrieben wird, finden Sie unter Hausnummer 59 ausführlichere Informationen zu den Sturmfluten von 1962 sowie 1965 und ihren Folgen für den damaligen Betrieb „Adolf Boldt“.

Über 80 Jahre lang war das Geschäft der Firma Boldt in der Königstraße ansässig. Foto: Privatbesitz

1903 gründeten die Brüder Adolf und Johannes Boldt ein Geschäft für Eisenwaren, Fahrräder, Nähmaschinen und Schusterartikel auf dem Flamweg. Drei Jahre später erstand die Familie das Haus in der Königstraße 59. Während Johannes sich am Flamweg auf den Vertrieb von Eisenwaren und Schusterartikeln spezialisierte, vertrieb Adolf Boldt in der Königstraße Haushalts- und Spielwaren sowie Porzellan.

Zwischen den Weltkriegen, im Jahr 1927, erstand die Familie Boldt das Nachbargebäude in der Königstraße 61. Hier war bis dahin die Familie Postel ansässig. Herr Postel war Klempner. Nach seinem Tod führte seine Frau einen Mittagstisch in der Königstraße 59, der als Mittagstisch der „Witwe Postel“ bekannt war.

Familienbetrieb in zweiter Generation

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges, am 26. Juni 1946 beantragte der damals 25-jährige Hans Adolf Boldt, jüngster von insgesamt drei Söhnen, bei der damaligen Militärregierung seinen Eintritt in die Firma als gleichberechtigter Gesellschafter. In seinem Antrag musste er nicht nur Auskunft über seine Lehre und Arbeitserfahrungen geben, sondern ebenfalls über die Mitgliedschaft in Organisationen und Verbänden der Nationalsozialisten. Nach eingehender Prüfung durch den Einzelhandelsverband Schleswig-Holstein, den freien Wirtschaftsverband Kreis Pinneberg, der Industrie- und Handelskammer zu Kiel und dem Verwaltungsausschuss der Gemeindevertretung Elmshorn stimmte der Elmshorner Stadtdirektor seinem Antrag am 28. September 1946 zu. Nachdem sein Bruder Karl im November aus der Kriegsgefangenenschaft zurückkehrte, führten sie gemeinsam mit ihren Eltern die Geschäfte in der Königstraße 59 und 61.

Adolf und Bertha Boldt lebten im der Königstraße 61 über ihrem Geschäft. Foto: Privatbesitz

Die Brüder Boldt

Die beiden Geschäfte firmierten zunächst unter dem Namen „Gebrüder Boldt“ und spezialisierten sich auf Spielwaren, Glas, Porzellan, Haus- und Küchengeräte, Galanterieartikel sowie Korbwaren. In den folgenden Jahren wurden noch Kinderwagen in das umfangreiche Sortiment aufgenommen. Die Namensgebung geht auf die Söhne der ersten Generation, Adolf und Johannes, zurück.

Später erfolgte eine Umbenennung in „Adolf Boldt“, der das Geschäft in der Königstraße von Anfang an leitete. Unter diesem Namen führten seine Söhne Karl Boldt (1907-1973) und sein Bruder Hans Adolf Boldt ( 1920- 2004) die Geschäfte nach dem Tod des Vaters im Jahr 1955 weiter. Ihre Mutter Bertha Boldt saß noch als 88-jährige an der Ladenkasse. Der dritte Sohn der Familie, Erich, war als Prokurist für die Fleischwarenfabrikation Rostock tätig und trat nicht in den Familienbetrieb ein.

Karl betrieb die Warenbereiche Hausrat, Kinderwagen und Gartenmöbel, während Hans Adolf für den Einkauf von Spielwaren sowie Glas und Porzellan zuständig war.

Wohnhaus mit Garten und Au-Gang

Während ihre Eltern Adolf und Bertha Boldt in der Königstraße 61 lebten, teilten sich die Brüder mit ihren Familien die Obergeschosse der Hausnummer 59. Hans Adolf schlief mit seiner Frau und den beiden Töchtern zunächst im zweiten Stock, das ursprünglich als Jungmädchenzimmer für Haushaltsangestellte und Personal diente. Karl Boldt lebte nach dem Tod seiner Frau Annemarie im Jahr 1945 mit den beiden Kindern Gisela und Heinz im ersten Stock. Küche und Wohnräume in der ersten Etage wurden von beiden Familien gemeinsam genutzt. Während die guten Stuben der Wohnungen zur Königstraße hin zeigten, lag der Wohnbereich zur Gartenseite.

Die Kinder Gisela und Heinz Boldt im Garten der Königstraße 59, 1944. Foto: Privatbesitz

Hausnummer 59 verfügte über einen Garten, der bis an die Krückau reichte. Gisela Neels (geborene Boldt) wurde am 22. Juli 1940 in der Königstraße 59 geboren, wuchs über dem Spielwarenladen Boldt auf, absolvierte ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau in Hamburg und war schließlich als Verkäuferin im Geschäft ihres Vaters und Onkels tätig. Sie erinnert sich an das Grundstück wie folgt: „Der Garten, der ging bis zur Krückau. Da war noch ein Gang. Wir sagten immer Au-Gang. Da hatten wir eine Pforte hin, so wie alle anderen in der Straße auch. Auf dem Gang konnte man dann an der Au entlang gehen, bis zur Dammbrücke hoch.“

Nach den verheerenden Sturmfluten 1962 und 1965 wurde das bis dahin kaum befestigte Ufer der Krückau um 1967 mit einer Spundwand verstärkt. An diesen Arbeiten mussten sich alle Hauseigentümer*innen der Königstraße finanziell beteiligen. Wenige Jahre später kaufte die Stadt den Anwohner*innen zusätzlich einige Quadratmeter ihrer Grundstücke für den Bau einer Zulieferstraße für den seit den 1970er Jahren autofreien Teil der Königstraße ab. Somit verschwanden die idyllischen Gärten an der Südseite der Königstraße nach und nach.

Vorweihnachtszeit in der Königstraße

Die Firma Adolf Boldt beschäftigte zwischen zehn und zwölf Angestellte und bildete eigene Lehrlinge aus. Frau Neels erinnert sich: „Gerade in der Weihnachtszeit hatten wir viele Aushilfen, bis zu 20 Leute. Das waren ja auch die Boom-Jahre nachher, so Mitte der 1950er Jahre bis Mitte 70 sowas. Da haben wir auch den goldenen Sonntag und den silbernen Sonntag vor Weihnachten gehabt. Da wurde von mittags bis abends aufgemacht und das war natürlich eine ganz besondere Atmosphäre. Jeder war gut aufgelegt. Ob nun Kunden oder Verkäuferinnen. Es war eben ein besonderer Tag. Und wir haben Zeiten gehabt, da standen die Leute bis ‚Homann & Heyck‘ [heute Bäckerei Junge] um die Ecke. Polizei stand vor der Tür. Wenn fünf oder sechs Personen rauskamen, wurden wieder sechs Leute reingelassen, weil es sonst überhaupt nicht mehr zu übersehen war. Das waren Zeiten vor Weihnachten, das kann sich jetzt überhaupt niemand mehr vorstellen.“

Nicht nur in der Vorweihnachtszeit waren die Schaufenster der Königstraße 59 und 61 liebevoll dekoriert. Anlässlich des 50. Firmenjubiläums wurde eine Puppenhochzeit inszeniert, 1953. Foto: Privatbesitz

Besonders beliebt waren vor Weihnachten natürlich die Spielwaren: „Ich hab viele Puppenhäuser verkauft. Und dann die Einrichtung dazu. Ob jetzt Lämpchen oder Möbel oder was nicht alles. Das wurde alles einzeln auf den Kassenzettel geschrieben – per Hand natürlich – und dann mit Übertrag auf die nächsten Seiten, bis dann am Ende unter Umständen 300 Mark für ein Puppenhaus, voll eingerichtet, zusammen kamen. Da hatte man auch eine Stunde oder zwei mit einem Kunden zu tun.“

Geschäftsaufgabe 1985

Nachdem Karl Boldt 1973 verstarb, führte sein jüngerer Bruder Hans Adolf die Geschäfte weiter. 1985, mit 65 Jahren, beschloss er, die Firma aufzugeben. Bereits zu jener Zeit waren erste Rückläufe im Einzelhandel zu bemerken. Zudem war es – wie für viele Firmeninhaber in der Königstraße – schwierig, einen Pächter für Haus und Laden zu finden. Da von den Einnahmen insgesamt drei Familien ihren Lebensunterhalt bestritten und zudem die Löhne für die Angestellten bezahlt wurden, war der Verkauf des Hauses 59 für Hans Adolf und seine Frau Lieselotte die Altersversorgung. Sie zogen nun in die seit dem Tod der Mutter 1976 leerstehende Wohnung im Nachbarhaus. Hier lebten Hans Adolf und Lieselotte Boldt bis zu ihrem Tod. Bis heute ist das Haus in der Königstraße 61 in Familienbesitz – sowohl die oberen Stockwerke als auch die Ladenzeilen sind vermietet. Seit Aufgabe des Geschäftes Adolf Boldt werden die Gewerbeflächen wieder als eigenständige Geschäfte genutzt. Wo die Elmshorner*innen sich über viele Jahre mit Artikeln für den Hausstand eindecken konnten und Kinder regelmäßig die Schaufenster mit liebevoll arrangierten Spielzeugen bestaunten, befinden sich heute Filialen von Vodafone [59] und Optiker Bode [61].

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