Hans Wichmann

Ein Leben für den Rundfunk

Hans Wichmann (1899-1961). Sammlung IME

Wichmann. Bis heute verbinden viele Elmshorner*innen mit diesem Namen Erinnerungen an den Kauf ihres ersten eigenen Radios, Fernsehgeräts oder ihrer ersten Schallplatte. Über 50 Jahre lang war Radio Wichmann in der Königstraße 50 Anlaufstelle für Rundfunk- und Musikfans jeden Alters.

Wer sich die Biografie des Firmengründers, Hans Wichmann (1899-1961), ansieht, der wird entdecken, dass die Existenz des Ladens keineswegs selbstverständlich ist. Sie geht auf eine ganz besondere persönliche Leidenschaft Hans Wichmanns zurück: die Rundfunktechnik! In den 1950er Jahren boomte dieser Markt, für Elmshorn war Hans Wichmann jedoch schon seit Ende der 1920er Jahre ganz vorne mit dabei…

Eigentlich kam Wichmann aus einem ganz anderen Metier. Für seine Arbeitsstelle kam er 1923 aus Hamburg nach Elmshorn und war zunächst als Privatfahrer und Auto-Rennfahrer bei der Elmshorner Steingutfirma C.H. Carstens beschäftigt.

In Hamburg hatte Wichmann einen Jahreskurs an den technischen Lehranstalten absolviert. In seiner Freizeit experimentierte er mit der – damals neuartigen – Detektor-Technik. Die Leidenschaft mündete schließlich in einer Tat: mit anderen Amateuren gründete er den Verein „Elmshorner Funkfreunde“ und erhielt 1924 – als zweiter Elmshorner überhaupt – die „Audion-Versuchserlaubnis“ (Rundfunkgenehmigung).
Vier Jahre später machte er mit der Firmengründung seine Leidenschaft zum Beruf.

Ein „Radio-Spezialgeschäft“

1926 gab es mit der Firma von Friedrich Oberhellmann in Elmshorn bisher nur einen Radiogerätevertrieb. 1929 waren es schon vier – einen davon gründete Hans Wichmann.

In den 1930er Jahren – nicht zuletzt aufgrund der Verbreitung der von den Nationalsozialisten propagierten, preiswert angebotenen Volksempfänger – war das Radio in Deutschland als Massenmedium in der Gesellschaft angekommen.

Die Zeichen standen also günstig: Gemeinsam mit seiner Ehefrau Berta, geborene Jürgensen, eröffnete Hans Wichmann am 15. November 1928 ein „Radio-Spezialgeschäft“ in der Elmshorner Schulstraße 43. Da die Ladenfläche allerdings schnell zu klein wurde, mieteten sie bereits 1929 größere Geschäftsräume im Flamweg 10. Während Hans die Reparaturwerkstatt betrieb, managten Berta, später dann die gemeinsame Tochter Christel, den Verkauf. Wichmanns Sortiment mutet aus heutiger Sicht etwas skurril an: so verkaufte er außer Rundfunkempfängern zusätzlich Waffen und Munition!

Neue Kundschaft akquirierte Wichmann ab 1929 auch im Elmshorner Umland, wo er auf Ausstellungen neuartige Radiogeräte mit vom ihm eingebauten Lausprechern vorstellte. Im Jahr 1930 erhielt er anlässlich einer Ausstellung in Hamburg sogar den 1. Preis im Kofferempfänger-Bau.

1936 schließlich, zogen Hans und Berta Wichmann mit Geschäft und Reparaturwerkstatt in die erste Lage Elmshorns um: in die Königstraße, Hausnummer 50.

Während Wichmann seinen Wehrdienst ableistete, führte Ehefrau Berta mit Tochter Christel die Geschäfte weiter. Bis zur Währungsreform 1948 übernahm Radio Wichmann hauptsächlich Reparaturdienste und vermietete Lautsprecherwagen.

Um die Landbevölkerung mit Radiogeräten zu versorgen, schaffte Hans Wichmann 1950 einen Ausstellungswagen an. Foto: Sammlung IME

Neue Hör- und Seherlebnisse schaffen

Nach dem Zweiten Weltkrieg produzierten deutsche Hersteller wie auch Firmen im Ausland, in rascher Abfolge neue Modelle. Um bei der Landkundschaft für neue Radiogeräte zu werben, investierte Hans Wichmann 1950 in einen neuen Ausstellungsanhänger und bildete sich in Abendkursen im Bereich der neuen Fernsehtechnik weiter. Ab den 1950er Jahren verkauften sie dann neben Radios auch Fernsehgeräte und betrieben außerdem eine Schallplattenbar. Nicht nur über Fernsehgeräte im Laden, sondern auch in den Schaufenstern ließ er nun ausgewählte Fernsehereignisse flimmern, was dazu führte, dass sich auf der Königstraße immer wieder Menschentrauben bildeten.

Fernsehen war bis Mitte der 1950er Jahre ein echtes Ereignis, zu dem sich die Elmshorner*innen vor den Radiogeschäften versammelten. StA Elmshorn, Fotograf: P. Koopmann

Die neue Technik der Fernsehübertragung bedeutete – so wie das Internet seit den 1990er Jahren eine Wende im Medienzeitalter einläutete – eine echte Revolution des Rundfunks! Wichmann zeigte begeistert Beispiele für das Wunder dieser neuen Technik. Diese steckte in den 1950er Jahren zwar noch in den Kinderschuhen, brachte jedoch bereits ganz neue Sehlebnisse mit sich.

Berichten von Zeitzeug*innen zufolge hatte sich Hans Wichmann bereits nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Ladengeschäft zurückgezogen und wirkte aus dem Hintergrund mit. Viele Jahre lang führten Christel Wichmann, Otto Plump und dessen Ehefrau zu dritt die Geschäfte.

Gemeinsame Geschäftsführung. Christel Wichmann und Geschäftsführer Otto Plump wälzen Angebotskataloge. Ca. 1954. Foto: Sammlung IME

Im Engagement gegen die Sturmflut

Während der Sturmflut im Februar 1962 drangen die Wassermassen bis zu einer Höhe von 1,50 m in den Laden ein. Foto: Sammlung IME

Bis zum Bau des Krückau-Sperrwerks wurden bei Sturmfluten häufig große Teile des Elmshorner Stadtgebietes überflutet. Zur Warnung der Bevölkerung gab es ein Warnsystem mit Böllerschüssen.

Bei Hochwassergefahr erhielt die Elmshorner Polizei eine Meldung aus Cuxhaven, die an die Bevölkerung weitergegeben werden musste. Von seinem Vorgänger, Polizeimeister Heinrich Thiessen, übernahm Hans Wichmann im April 1946 diese Aufgabe: Dann eilte er zu einem kleinen Haus bei der Deich-Stöpe auf der Deichstraße und zündete dort, je nach Wasserstand, laut böllernde Raketen. Trotz der damit verbundenen Gefahren durch „Rohrkrepierer“ bekleidete Wichmann das wichtige Amt des Flutmelders neun Jahre lang.

Die wohl größte Sturmflut, die Elmshorn bisher erlebt hatte, erlebte Hans Wichmann schon nicht mehr, er verstarb 1961. Wie sämtliche Geschäftsleute in der Königstraße war auch Radio Wichmann massiv von der Flut betroffen. Der wirtschaftliche Schaden war enorm, da die technischen Geräte, Phonomöbel und sonstige Ware durch die Wassermassen unrettbar beschädigt wurden. Zeitzeugenberichten zufolge sah man diese sogar die Königstraße hinunterschwimmen…

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