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Die Privilegierte Apotheke in der Königstra0e 12-14 im Jahr 2005. Mittlerweile ist Apothekerin Birgit Stark die Inhaberin. Foto: E.-G. Scholz

Als ältester Gewerbebetrieb befindet sich die Privilegierte Apotheke in der Königstraße 12-14. Die Frühgeschichte der ersten Elmshorner Apotheke finden Sie hier.

Privilegierte Apotheke Dr. W. Knauer

Nach Friedrich Hermann Albers – kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert – betrat die Familie Knauer die Bühne der Apotheke. Am 3.11.1898 bekam Dr. Wilhelm Friedrich Georg Knauer das Privileg zum Betrieb einer Apotheke erteilt.

Ein Neuanfang: Zum Bau der Privilegierten Apotheke

Bis 1907 blieb die ehemalige Behmsche Apotheke – sieht man von den 34 Betriebsjahren der Apotheke am Flamweg 10 ab – unter jeweils wechselnden Besitzern die längste Zeit die einzige in Elmshorn. Dann stellte ein zweiter Apotheker einen Antrag auf Gründung einer Apotheke am Vormstegen, wogegen Dr. Wilhelm Friedrich Georg Knauer gerichtlich vorzugehen versuchte. Sie (die spätere Adler-Apotheke) erhielt die Betriebserlaubnis, da Vormstegen zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung „noch nicht zu Elmshorn gehörte und daher das Privileg in dieser Angelegenheit unerheblich“ war.

Gründer der Privilegierten Apotheke: Der Apotheker Dr. Wilhelm Friedrich Georg Knauer, Inhaber von 1888-1940. Foto: Privatbesitz

Seit Behm hatten sämtliche Apotheker dessen altes Apothekergebäude am Wedenkamp genutzt. Nachdem Dr. Wilhelm Friedrich Georg Knauer das Haus 1898 erworben hatte, ließ er es ein Jahr später abreißen und beauftragte an selber Stelle einen vierstöckigen Neubau.

Mit der Ernennung Elmshorns zur Stadt 1869 wurde der Wedenkamp in Königstraße umbenannt, die neue Adresse der Apotheke war nun Königstraße 12.

Das königliche Privileg – das nach Ende der Monarchie allerdings nur noch symbolisch zu verstehen war – nahm Knauer in den Apothekennamen auf: sie hieß jetzt „Privilegierte Apotheke Dr. W. Knauer“.

Von dort an blieben Gebäude und Apotheke bis 2009 im Familienbesitz. Allerdings wurde die Apotheke ab Mitte der 1950er Jahre über zwei Jahrzehnte verpachtet. Damit steht die Privilegierte Apotheke exemplarisch für ein über drei Generationen hinweg geführtes Familienunternehmen in der Königstraße.

Das Gebäude

Das Gebäude im Architekturstil der norddeutschen Backsteingotik – eine bis um die Jahrhundertwende in dieser Gegend auch für Amtsgebäude häufig verwendete Form – war 1899 fertig gestellt. Die Formensprache – etwa Friesbänder mit Ornamenten an der Fassade, Säulen und Rundbögen – sorgten für das hochherrschaftliche Antlitz des Hauses.

Die Privilegierte Apotheke nach dem Zweiten Weltkrieg

Zerstörung, Umbau, Verpachtung und Sturmflut

Die zweite Generation der Familie Knauer, Apotheker Dr. Wilhelm Knauer, Inhaber von 1940-1973. Er verpachtete die Apotheke ab 1955 an Franz Ripschler, 1973 wurde Tochter Erika Knauer Inhaberin. Foto: Privatbesitz

Am 15.3.1940 ging die Inhaberschaft an Wilhelm Friedrich Georg Knauers Sohn, Dr. Wilhelm Knauer junior, über. Auch er ging in die Stadtgeschichte ein, als er den „Magendoktor“ kreierte, eine Spirituose, die als Arzneimittel, etwa gegen Völlegefühle nach fettreichem Essen eingesetzt werden konnte.

Im Gegensatz zum vollständig zerstörten Nachbargebäude, Königstraße 10, in dem seit 1919 die Familie Schlüter Salamander-Schuhe verkaufte hatte, war das Haus, Königstraße 12, vergleichsweise glimpflich durch die Bombenangriffe auf Elmshorn am 2. und 3. August 1943 gekommen. Allerdings war das Dach vollständig zerstört, Scheiben waren geborsten. Das Haus wurde provisorisch hergerichtet.

Wenige Monate nach der Währungsreform 1948 ging es wieder aufwärts, das Antlitz des einst repräsentativen Hauses sollte erneuert werden. Im September 1948 wurde die Baufreigabe für die von Wilhelm Knauer in Auftrag gegebene Umgestaltung des Eingangsbereiches erteilt. „Das Schaufenster [wurde] heraus […], und der neue Eingang in die Flucht des vorhandenen Eingangs zurückgenommen. […] Die untere Eingangsstufe […] [schloss nun] mit den Erdgeschosssäulen ab, tr[at] also nicht [mehr] über die Baufluchtlinie vor“.

Die Häuser Königstraße 10-12 nach den Bombenangriffen auf Elmshorn, 1943. Das Nachbargebäude (ehemals Salamander Schlüter) war vollständig ausgebrannt. Bei der Apotheke war vor allem der Dachstuhl massiv von den Zerstörungen betroffen. Foto: StA Elmshorn, Fotograf: P. Koopmann

Vierzehn Jahre nach diesen Umbau waren die gesamte Königstraße und Teile Elmshorns massiv von der großen Sturmflut betroffen. Am 16. und 17. Februar 1962 stand das Wasser anderthalb Meter hoch in der Apotheke. 1987, anlässlich des 250-jährigen Jubiläums der Apotheke, ließ Familie Oertel das damals 88 Jahre alte Gebäude vollständig renovieren. Denn die Bausubstanz hatte – seit Erbauung des Gebäudes 1899 – infolge des Zweiten Weltkriegs, der Sturmflut 1962, nicht zuletzt den natürlichen Verfall so manch einen Schaden erlitten.

Mitte der 1950er Jahre zog sich Dr. Wilhelm Knauer jun. aus dem Apothekenbetrieb zurück. Zum 1.1.1955 verpachtete er sie an den Apotheker Franz Ripschler.

Der Straßenzug Königstraße 10-14, nach 1948. Salamander Schlüter hatte sich im einstöckigen Neubau eingerichtet, das Zigarrenhaus Kurth war in den Gebäudeteil rechts gezogen. Statt eines Spitzdaches hatte die Apotheke nun ein weiteres Stockwerk. Foto: StA Elmshorn, Fotograf: P. Koopmann
Gute Stimmung trotz Katastrophe. Die Belegschaft der Privilegierten Apotheke
im Angesicht der Elmshorner Flutkatastrophe 1962, in der Mitte der Pächter Franz Ripschel (1955-1973), Foto: Privatbesitz

Erika Oertel, geborene Knauer: Elmshorns erste Apothekeninhaberin

In den 1970er Jahren wurde schließlich die Übernahme der Apotheke durch Wilhelm Knauers Tochter Erika eingeleitet. Als erste Apothekerin in Elmshorn übernahm Erika Knauer zum 1.4.1973 die Apotheke als Inhaberin.

1964 machte Erika Knauer zunächst eine zweijährige Ausbildung in einer Apotheke in Hamburg. Die Ausbildung, die mit einem Vorexamen endete, war Zugangsvoraussetzung für ein Pharmaziestudium. Allerdings bestand damit keine Garantie auf einen Studienplatz.
1966 wurde Erika Knauer schließlich unter Ripschler Mitarbeiterin im damals 15-köpfigen Team. Bei Rischpler erweiterte sie ihre im Rahmen der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und lernte die Abläufe im Betrieb vor Ort, wie etwa den Kundenservice und das Tablettieren im Labor kennen. Anderthalb Jahre später erfüllte sich Erika Knauers Wunsch: in Kiel nahm sie 1968 ein Studium der Pharmazie auf.

Bereits 1971 hatte Erika Knauer ihren späteren Ehemann, Klaus Oertel, kennengelernt, der damals Mitarbeiter der Apotheke wurde. Seit ihrer Heirat 1977 führten die beiden gemeinsam die Apotheke, wobei die Apothekerin bis zum Verkauf Inhaberin blieb.

2009 veräußerte Erika Oertel die Apotheke an die Apothekerin Birgit Stark. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Apotheker Dr. Georg Stark und einem Team aus 24 Mitarbeiter*innen führt Birgit Stark als Inhaberin die Apotheke bis heute.

Apothekerin – ein Frauenberuf?

In einem Interview mit dem Industriemuseum im Juni 2019 berichtete Klaus Oertel von ungleichen Chancen zwischen Frauen und Männern, in die Geschäftsleitung einer Apotheke aufzusteigen. Dabei war die Situation unter der Studierendenschaft im Bereich Pharmazie eigentlich vielversprechend. Als Erika Knauer im Jahr 1968 in Kiel ihr Pharmaziestudium aufnahm, gab es dort 36 Studierende, davon waren „nur“ 6-8 Studierende männlich.

Pharmazie galt in den 1970er Jahren als Frauenberuf. Es hieß sogar, dass der Beruf „hervorragend für Frauen geeignet“ sei (Klaus Oertel). Nichtsdestotrotz waren die Apothekeninhaber in der Regel männlich. Viele Frauen, so Oertel, hätten ihre Ausbildung mit dem Vorexamen beendet, ohne ein folgendes Pharmaziestudium anzuschließen. Viele arbeiteten in Teilzeit als Angestellte oder Ehefrau des Apothekers.

Was die Situation in der Königstraße 12 anging, so zeigt sich mit Blick auf die 1980er Jahre, dass die zehnköpfige Belegschaft dort überwiegend aus weiblichen Mitarbeitern bestand.

Das „Offizin“, der Verkaufsraum der Apotheke im Hintergrund ein Teil der Belegschaft, vorne das Apothekerehepaar Klaus und Erika Oertel, 1987. Foto: Privatbesitz

Mit Blick auf die Situation im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Mitarbeiter*innen verdoppelt, der Frauenanteil ist sehr hoch. Birgit und Georg Stark beschäftigen ein 24-köpfiges Mitarbeiter*innen-Team (davon 19 direkt im Ladenbetrieb): einen Apotheker, fünf Apothekerinnen, sechs Pharmazeutisch-Technische Angestellte (alle weiblich), vier Pharmazeutisch-Kaufmännische Angestellte (alle weiblich), drei Bürokräfte (alle weiblich) und fünf Mitarbeiter*innen, die Botendienste erledigen.

Arbeitsweisen in der Apotheke und Wandel der Pharmaziebranche

Wie auch in anderen Apotheken, wurden in der Privilegierten Apotheke, zusätzlich zu Medikamenten pharmazeutischer Großhändler, in den 1950er bis 1970er Jahren Arzneimittel, Tinkturen und Pillen (gerollt) vor Ort im Labor hergestellt. Auch die Mitarbeiter*innen der Privilegierten Apotheke tablettierten von 1971 bis ca. 1977 selbst: an einer speziellen Tablettiermaschine, die sich im Labor in den hinteren Räumen der Apotheke befand. Ein häufig angefragtes Arzneimittel aus eigener Herstellung war Hustensaft, außerdem Tees.

Da es nicht möglich war, alle Rohstoffe vorrätig zu haben, wurden diese bei pharmazeutischen Großhändlern in Hamburg oder Lübeck bestellt. Als sich die industrielle Fertigung von Tabletten durchsetzte, konnten die Apotheken mit Arzneimitteln aus eigener Herstellung allerdings nicht mehr mithalten. 1987 waren bereits 80 000 Medikamente im Handel erhältlich. Heute werden Arzneimittel nur noch auf Anweisung von Ärzten (überwiegend Hautärzten) hergestellt.

Arzneimittel und Rohstoffe wurden bis in die 1960er Jahre hinein (teilweise aber auch heute noch) telefonisch beim Großhandel bestellt, schließlich über ein Lochkartensystem. Diese Technik wurde etwa ab ca. Ende der 1960er Jahre allmählich von der elektronischen Datenverarbeitung per Computer abgelöst. 1987 verwalteten und lagerten Erika und Klaus Oertel bereits 12 000 Arzneien per Computer.

Von 1973-2009 Inhaberin – und in den 1970er Jahren erste Apothekeninhaberin überhaupt in Elmshorn: Erika Oertel, geborene Knauer, (*15.10.1943-27.9.2016), 1987. Foto: Privatbesitz

Apotheker Klaus Oertel (*22.07.1949), an der Analysewaage, 1987. Foto: Privatbesitz

Heute erfolgt die Warenbestellung bei Arzneimittelherstellern über spezielle Warenmanagement- und Bestellsysteme, mit einem Mouseklick! Ist die gewünschte Ware dort verfügbar, wird die Ware bereits zwei Stunden später angeliefert.

Das Gebäude nach der Renovierung im Jahr 1987, anlässlich des 250-jährigen Bestehens der Apotheke. Foto: D. Kruse

Die Pharmaziebranche ist, nicht zuletzt durch Reimporte von Medikamenten, hart umkämpft: „Anfang der Jahres 2019 waren in Deutschland 48.266 verschreibungspflichtige Arzneimittel zugelassen“. Hinzu kommen nicht verschreibungspflichtige Medikamente, die einen großen Teil des Umsatzes von Apotheken ausmachen. Entgegen der auch in der Bevölkerung kritisch beäugten Arzneimittelbranche sind Apothekerinnen und pharmazeutische Fachangestellte nach wie vor sehr noch angesehen. Dies zeigt sich auch im Angesicht der Corona-Krise, in der diese Berufe – wie auch Ärztinnen und Pfleger*innen – in die Frontlinie der Gesundheitsversorgung rückten.

Im Laufe der Jahrhunderte mieteten sich in den rechten Gebäudeteil des Hauses immer wieder verschiedene Ladengeschäfte ein: nach 1948 lange Zeit das Zigarrenhaus Kurth, seit Mitte der 1960er Jahre schließlich eine Filiale der Bremer Kaffeerösterei Eduscho.

Seit Beginn der 1990er Jahre befindet sich dort ein Shop des Mobilfunkanbieters „mobilcom debitel“, der bis heute (Stand: 2020) fortbesteht.

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