von Carsten Petersen
Was für eine Aufregung: Die gerade erst gegründete Werbegemeinschaft Elmshorn – darunter zahlreiche Unternehmer und Händler aus der Königstraße – sorgt im September 1978 mit einem umstrittenen „Nackt-Plakat“ bundesweit für Aufsehen. Den Slogan „Einkaufsstadt der kurzen Wege“ des Elmshorner Werbefachmanns Gerd Ahrens setzt der Elmshorner Fotograf Berthold Kollschen mit Hilfe des Hamburger Fotomodells Astrid um: Sie entsteigt nur mit drei Ringen und einer Halskette „bekleidet“ ihrem Auto, um dann nach einem kurzen Einkaufsbummel in der Elmshorner Innenstadt adrett angezogen wieder in das Fahrzeug einzusteigen. Dabei sagt sie in Sprechblasen: „Ich kann nirgends schneller einkaufen als in Elmshorn“.
Insgesamt 350 Plakate lässt die Werbegemeinschaft von diesem „Anti-Striptease“ drucken und in 32 Orten des Kreises Pinneberg (außer Elmshorn), zehn Städten und Gemeinden des Kreises Steinburg und in sechs Gemeinden des Kreises Segeberg unter anderem an Litfaßsäulen aushängen. Alles in allem kostet die Aktion 30.000 Mark, inklusive der 1200 Mark Gage für das 23-jährige Modell.
Das Geld zahlt sich für die Macher der Kampagne reichlich aus, denn die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. Alle regionalen Zeitungen und auch die Boulevard-Blätter berichten über den „Skandal“ und in den Leserbriefspalten läuft über Tage eine ausgiebige Diskussion: „Pornographie oder nicht – das ist hier die Frage“ lautet zum Beispiel eine Schlagzeile in der Pinneberger Zeitung. In Itzehoe beklagt der Propst den Sittenverfall in Elmshorn und in Uetersen erstattet ein Mann sogar Anzeige gegen das seiner Auffassung nach schamverletzende nackte Mädchen aus der Krückaustadt. Das alles übrigens während in den Elmshorner Kinos – und nicht nur dort – immer noch die Welle der seiner Zeit populären sogenannten „Sexfilme“ läuft. Es gibt allerdings auch andere Reaktionen: Die Werbegemeinschaft erhält zum Beispiel eine Kaufanfrage aus Wuppertal, wo ein Fan gern das Plakat als Poster aufhängen will.
Sogar mehr als eine Millionen Mal abgedruckt wird das Plakat erneut zwei Jahre später: Das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ verwendet die Elmshorn-Werbung im Dezember 1980 als Illustration zu einem Artikel über die widersprüchliche Haltung der Familienministerin Antje Huber zur Sex-Werbung. Sie wollte zuerst die weiblichen Körpermerkmale nicht mehr in der Werbung verwendet wissen, ging später aber auf Gegenkurs und sagte: „Wir wollen nicht in eine mittelalterliche Welt zurück.“ Und die Werbegemeinschaft an der Krückau? Sie wollte mit dem Plakat auf das moderne und weltoffene Einkaufsparadies Elmshorn mit seinen 1000 Parkplätzen aufmerksam machen – was mit der nackten Astrid deutlich besser gelang, als mit der längst vergessenen Werberundreise des Oldtimerbusses „Cherie“ ein Jahr später.