Die Königstraße von oben – 1912 entstand ein ungewöhnliches Foto aus einem Luftschiff

von Peter Danker-Carstensen

Ein Teil der Königstraße aufgenommen aus dem Luftfahrtschiff „Victoria Luise“ im Jahre 1912. Foto: Privatbesitz

Bald nachdem der Mensch in der Lage war, sich mittels unterschiedlicher Fluggeräte in die Luft zu erheben, wurde diese Möglichkeit genutzt, die Welt von oben zu fotografieren. Die „Flugbild“-Fotografie war geboren.

Voraussetzung hierfür war zunächst, dass das jeweilige Fluggerät neben dem Piloten auch noch Platz für mindestens einen „Lichtbildner“ bot. Die Flugzeugführer bzw. die Luftschiffer waren natürlich mit der Bedienung ihres Fluggerätes so beschäftigt, dass sie nicht auch noch die relativ großen und umständlichen Kameras bedienen konnten. Die Mitnahme von Passagieren war in Luftschiffen oder Zeppelinen, wie diese Geräte bald nach einem der herausragenden Konstrukteure von metallenen Starr-Luftschiffen, Graf Ferdinand von Zeppelin (1838-1917) genannt wurden, ohne weiteres möglich. Noch vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich in Deutschland eine zivile Passagier-Luftschifffahrt mit Hilfe von Zeppelinen.

Die wagemutigen Passagiere, die Fahrten – nicht Flüge – mit Zeppelinen unternahmen, gehörten im wilhelminischen Deutschland meist dem Bürgertum an, da Zeppelinfahrten ein teures Vergnügen waren. Obwohl Luftschiffe – im Gegensatz zu Flugzeugen – stark von den aktuell vorherrschenden meteorologischen Bedingungen abhängig waren, waren die Luftschiffer natürlich bemüht, den Wünschen ihrer zahlenden Passagiere entgegen zu kommen, wenn es galt, bestimmte Orte zu überfliegen.

Drei Elmshorner*innen waren mit von der Partie

Als am 5. Juli 1912 das Luftschiff „Victoria Luise“ der „Deutschen Luftschiffahrts AG“ (DELAG) morgens gegen viertel vor sechs auf seinem Wege von Hamburg nach Westerland Elmshorn überflog, waren auch Bürger der Krückaustadt an Bord. Es handelte sich dabei um den bekannten Elmshorner Rechtsanwalt Justizrat Theodor Lamp aus der Mühlenstraße, sowie um den Lederfabrikanten Friedrich Strecker und dessen Tochter. Strecker war zusammen mit seinem Bruder Heinrich Inhaber der 1856 von seinem Vater Johann Hinrich Strecker gegründeten Lederfabrik J.H. Strecker Söhne mit der Firmenadresse Königstraße 51.

Die Elmshorner Passagiere schickten von ihrer Tour Luftpostkarten an die Stammtische im „Holsteiner Hof“ und in „Mangels Hotel“. „Außerdem wurden zahlreiche Karten, Ansichten von Westerland und dem Strand- und Badeleben, aus dem Luftschiff geworfen, die in den verschiedensten Straßen aufgefunden wurden. In der Gerhardstraße sah Frau Krohn einen größeren Gegenstand zur Erde fallen. Sie lief sofort darauf zu und fand im Garten ein Buch, einen Badeführer von Westerland…“ meldeten die Elmshorner Nachrichten am 5. Juli 1912.

Streckers Tochter war die Fotografin des ebenso frühen wie ungewöhnlichen Fotos der Königstraße. Das Foto zeigt fast aus der Vertikalen den südwestlichen Abschnitt der Königstraße von Drückhammers Gang am linken unteren Bildrand bis zum Streckers Gang im rechten oberen Teil des Bildes. (Die unscharfe schwarze Linie rechts oben ist ein Teil der Zeppelin-Kanzel). Die Krückau verläuft auf dem Foto oberhalb der Königstraße und wird von der Brücke im Laufe des Weges von der Königstraße zur Lederfabrik Strecker, der Gebäudekomplex am Südufer des Flusses, gequert. Rechts LINKS des Weges bzw. der Brücke liegt die Lederfabrik Diedrich Petersen. Beide Gebäudekomplexe wurden später durch das noch heute existierende „Torhaus“ miteinander verbunden, nachdem Strecker 1914 die Petersen’sche Gerberei übernommen hatte. In der Bildmitte ist das heute noch existierende „Doppelhaus“ Königstraße 41-43 39-41 mit seinen markanten Oberlichtern zu erkennen. Am linken Bildrand liegt das stattliche Gebäude Königstraße 35, das zur Zeit der Aufnahme „Allers Gasthof“ mit seinem großen, bis an die Au reichenden Saalgebäude beherbergte. Die untere Bildhälfte wird von der nördlichen Straßenseite eingenommen. Sie wird durch die Einmündung der Peterstraße in die Königstraße geteilt. Das langgestreckte Dach gehört zum Mühlenbetrieb Diedrich Mohr, Königstraße 40, im Elmshorner Volksmund nur Mahncke-Mohr genannt. Zwischen dem Dach und der Peterstraße ist der Schornstein des Mohr’schen Betriebes zu erkennen.


[i] Erstveröffentlichung in: 150 Jahre Elmshorner Nachrichten „Die Königstraße von oben – Eine ungewöhnliche Aufnahme aus dem Luftschiff“ von Peter Danker-Carstensen, 01.10.2001

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