58

Drogen, Kosmetik und Blumen

Das Wohn- und Geschäftshaus Königstraße 58 weist eine bewegte Geschichte auf. Sie handelt von Standesbewusstsein und baulichen Vorkehrungen gegen Fluten, erzählt von der Ab- und Rückkehr der Familie Panje in die Königstraße und steht schließlich beispielhaft für das Verschwinden von Einzelhandelsgeschäften im Herzen der Stadt.

Erste Drogerien

Seit seiner Erbauung 1752 diente der zweigeschossige Backsteinbau Königstraße 58 als Wohn- und Geschäftshaus. 1787 verkaufte Claus Panje der Ältere das Haus an seinen Schwiegersohn, Claus Hinrich Mau. Von ihm ging es im Jahr 1810 an den damals noch sehr jungen Miterben gleichen Namens, Claus Panje (1795-1875). Claus Panje jun. entwickelte sich zu einer der berühmtesten und schillerndsten Persönlichkeiten Elmshorns. Der bereits im Alter von 45 Jahren Erblindete war nicht nur Drogist und leidenschaftlicher Eisenbahnbefürworter, sondern auch Erfinder, verfügte in seinem Haus über eine der ersten Zentralheizungen (natürlich in Form einer Dampflokomotive) und hatte sein Grundstück, die ehemalige Predigerkoppel, verwandelt zu einem „Gartenparadies“ mit Gewächshäusern, exotischen Vögeln und einem malerischen Seerosenteich, der auch zur gewerblichen Blutegelzucht diente.

Von Claus Panje übernahm Karl Lass 1905/06 das Ladengeschäft. Die Postkarte aus den 1930er Jahren zeigt den ursprünglich vorhandenen Balkon, darüber eine Ladeluke, die zum Boden führte. Foto: StA Elmshorn

Mit „Bahn-Panje“, der die bereits im Ladengeschäft befindliche Materialwarenhandlung zu einer „Drogen- und Samenhandlung“ erweiterte, begann die Spezialisierung auf Drogerieartikel. An der Hamburger Börse hatte seine Firma einen „hochfeinen“ Ruf.

Selbst kinderlos, hatte er das Haus 1870 an seinen Bruder Nicklaus Panje verkauft, der es an seinen Sohn Claus Panje (1865-1934) später weitervererbte.

1843 gab die Generalversammlung der Altona-Kieler-Eisenbahngesellschaft den endgültigen Beschluss bekannt, die Bahnlinie über Elmshorn und nicht über Barmstedt zu bauen. Die Elmshorner Bevölkerung war begeistert und dankte dem maßgeblichen Eisenbahnbefürworter Claus Panje mit einem Fackelumzug zu seinem Wohn- und Geschäftshaus in der Königstraße 58. Zeichnung von Wilhelm Petersen aus dem Jahr 1935, Sammlung IME

Er betrieb dort von 1886 bis 1906 eine Art Drogerie mit einem breiten Warenangebot. Neben Chemikalien und „Drogen“ im Sinne einfacher Heilmittel und Tees verkaufte er dort auch Farben. Die Familie bewohnte die vier Stuben des Hauses. Außerdem hatte es vier Warenkammern, eine Küche, einen Keller und einen Bodenraum.

1893 gab es neben Claus Panjes Drogerie in Elmshorn nur eine weitere „Droguen-Handlung“. Geschäftstüchtig und versiert im Börsenhandel, gelangte Claus Panje zu beachtlichem Wohlstand. Er setzte sich zur Ruhe und übergab den Laden 1906 an den Drogisten Karl Lass, der zum weiteren Familienkreis gehörte. Den Laden führte er unter dem Namen „Drogenhandlung Karl Lass“. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges suchte Lass einen Nachfolger, da sein eigener Sohn im Krieg gefallen war. Und hiermit – genauer gesagt mit Claus Panjes Enkel, Jürgen Börnsen – beginnt die Rückkehr der Panjes in die Königstraße.

Die Schaufenster sowie die Rollmarkisen ließ Jürgen Börnsen in den 1960er Jahren einbauen. Auf dem Foto von 1965 ist noch die Treppe vorhanden, die bis heute bei der benachbarten Stadtbücherei zu finden ist. Zum Schutz gegen Sturmfluten lagen viele Geschäfte früher rund 1,50 m über Straßenniveau. Foto: E.-G. Scholz

Rückkehr in die Königstraße

1948 verstarb Jürgen Börnsens Großmutter Helene Panje. Dem gelernten Industriekaufmann Jürgen Börnsen (1921-1984) fiel aus der Erbmasse das Wohn- und Geschäftshaus Königstraße 58 zu. Dies betrachtete er als Möglichkeit, um beruflich in die Fußstapfen der Drogisten-Dynastie Panje zu treten und ließ sich ebenfalls zum Drogisten ausbilden.

Bekanntmachung der Geschäfts-Übergabe zum 1. Januar 1951. Foto: Privatbesitz

Um das Sortiment, die Abläufe im Geschäft und den Kundenstamm kennenzulernen, war Börnsen nach der Ausbildung zunächst als Drogistenhilfe bei Karl Lass angestellt. 1951 trat Jürgen Börnsen unter dem neuen Namen „Panje-Drogerie“ schließlich die Geschäftsnachfolge in der Königstraße 58 an.

Familienunternehmen

Gerade 30 Jahre alt geworden und beruflich angekommen, verliebte er sich in seine 23-jährige Auszu­bildende Inge Timm, die er 1954 heiratete. Inge (1928-1972) spezialisierte sich als Drogistin auf das Fachgebiet Kosmetik. In einem eigenen Behandlungsraum empfing sie Kundinnen auch zur Beratung über neue Kosmetikprodukte. Sie sorgte dafür, dass die solventen Damen der Elmshorner Gesellschaft den Laden frisch, entspannt und noch schöner als zuvor verließen.

Jürgen Börnsen inmitten seiner reichhaltigen Produktpalette, um 1964. Foto: Privatbesitz

Im Laden gab es über 20 Sorten Gesundheitstees zu kaufen, die stets frisch angeliefert wurden. Außerdem bot das Drogerie-Team weitere Produkte zur Linderung bei gesundheitlichen Problemen jeder Art. Wie in anderen Drogerien gab es in der Königstraße 58 auch Fotoartikel.

Inge Börnsen, geb. Timm, um 1968. Foto: Privatbesitz

Der Kosmetik-Behandlungsraum mit modernem Stuhl und Kosmetikartikeln, 1968. Foto: Privatbesitz

Jürgen Börnsens beruflicher Neustart in Elmshorn war für die ganze Familie mit einem Eintritt ins gesellschaftliche Leben der Königstraße verbunden. Auch wurden alte Netzwerke zu Elmshorner Familien mobilisiert, die teilweise schon zu (Ur-) Großvater Panjes Zeiten bestanden hatten. Auch wurde Jürgen Börnsen zu einer stark frequentierten psychologischen Instanz hinter der Ladentheke.So war er als Ratgeber in alltagspraktischen Fragen äußerst gefragt. Mit Ehefrau Inge und Inges Schwester Karla Thomsen, die dort ab 1956 eine Ausbildung zur Drogistin absolvierte, wurde das Geschäft bald zum echten Familienbetrieb.

Geschäftsaufgabe

In der Königstraße hatte die „Panje-Drogerie“ mit der Drogerie von Gustav Arps in der Königstraße 22 zunächst nur einen Konkurrenten. Börnsen bewies Geschäftssinn und baute sein Sortiment im Laufe der Jahrzehnte immer weiter aus. Als seine Ehefrau und Kosmetik-Spezialistin Inge 1972 unerwartet verstarb, blieb er der Kosmetiklinie treu und erweitere sogar das Angebot. Die Abteilung Kosmetik übernahm nun Jürgens Schwägerin Karla. Auch Parfüms und teilweise Modeartikel waren nun in der Panje-Drogerie zu haben – eben alles, was die feine Dame der Elmshorner Gesellschaft glücklich machen sollte.

Die „Panje-Drogerie“ schaltete auch Kinowerbung. Der Erfinder der Depot-Kosmetik, Franz Xaver Miller, brachte 1949 die Marke „Lancôme“ nach Deutschland, die die „Panje-Drogerie“ schließlich ins Sortiment aufnahm. Sammlung IME
Erste Mieterin nach Börnsens Geschäftsaufgabe war die Douglas-Holding, die dort eine Filiale unterbrachte. Jürgens Schwägerin Karla Thomsen unterstützte die Übergangszeit zur Parfümerie. Foto: StA Elmshorn, 1989

Trotz der erfolgreichen Neuaufstellung führten die Entwicklungen in der Drogeriebranche dazu, dass inhabergeführte Geschäfte dem Druck großer Drogerieketten nicht mehr standhalten konnten. In den 1970er Jahren war die Preisbindung für Drogerieartikel gefallen, was auch in Elmshorn zum Aufkommen von Großhandels-Drogeriemärkten führte. Mit niedrigeren Preisen durch Großeinkäufe machten sie Einzelhandelsgeschäften Konkurrenz. Außer der Droge­rie Arps gab es 1959 innerhalb Elmshorns noch acht weitere Drogerien. 1971 waren es bereits 13. 2020 verkaufen in Elmshorn nur noch Großhandelsunternehmen Drogeriewaren.

Schließlich waren es wirtschaftliche und persönliche Überlegungen, die Jürgen Börnsen zur Geschäftsaufgabe bewegten. Der einzige direkte Nachkomme, Sohn Thomas, wurde Arzt und wollte das Geschäft nicht weiterführen. Börnsen ging 1980 in den vorzeitigen Ruhestand und vermietete das Ladenlokal.

Ab Juni 1980 richtete die „Douglas-Holding AG“ hier eine Filiale ein. Diese baute die Treppe zurück und setzte den Laden auf Straßenniveau. Das 1969 errichtete Krückau-Sperrwerk hat den Hochwasserschutz der Treppe übernommen.

Auf „Douglas“ folgte im Mai 1998 die Süßwarenwarenkette „Hussel“, ebenfalls ein Zweig der „Douglas-Holding“. Im Juni 2002 eröffnete dort schließlich eine Filiale des Großhandelsunternehmens „Blume 2000“.

„Blume 2000“

Das 1974 gegründete Großhandelsunternehmen „Blume 2000“ sorgte in der Königstraße seit der Filialeröffnung 2002 für enorme Konkurrenz bei den ortsansässigen, inhabergeführten Blumengeschäften. War die Beratung durch die Floristen zuvor entscheidendes Element im Verkaufsgespräch und diente der Kundenbindung, führte „Blume 2000“ die Selbstbedienung ein. Auch handelt das Unternehmen mit Blumen und Pflanzen im Niedrigpreissortiment. Dies verschärfte für die kleineren Geschäfte den Preisdruck und sie mussten wie „Blumen-Krause“ in der Königstraße aufgeben.

Blume 2000“ im Jahr 2011. Foto: Carsten Petersen
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