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Vom „Holsteinischen Hof“ zum neuen Bahnhofsviertel

1964 wurde in Elmshorn ein neues Bahnhofsgebäude mit einem planmäßig errichteten Stadtviertel eröffnet. Der neugestaltete Holstenplatz mit Geschäfts- und Wohnraum, Fußgängerflächen und Parkplätzen war beispielgebend für die Innenstadterneuerung schleswig-holsteinischer Mittelstädte nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg.

Der „Holsteinische Hof“

Die Veränderungen des heutigen Holstenplatzes verdeutlichen die Elmshorner Stadtentwicklung anschaulich: Seit dem 18. Jahrhundert entwickelte sich das Gebiet vom ländlichen Ortsrand zum zentralen Teil der Innenstadt. Bis zum Bau der Eisenbahn 1844 stand innerhalb des Gebietes nur ein Gasthof mit Ländereien, der spätere „Holsteinische Hof“ in der Königstraße 4.

Auf dieser Postkarte präsentiert sich der neu gestaltete Holstenplatz mit moderner Geschäfts- und Mietshäuserzeile, die in der Holstenstraße und am Bahnhofsvorplatz auch Parkmöglichkeiten für das erhöhte Verkehrsaufkommen in den 1960er Jahren bot. Das Wohn- und Geschäftshaus rechts besitzt die Adresse Königstraße 4 wie einst der „Holsteinische Hof“. Postkarte: Sammlung IME

1693 kaufte der Elmshorner Kirchspielvogt Samuel Prätorius ein Bauernhaus – eine frühere Mühle – mitsamt den ausgedehnten Ländereien vom heutigen Holstenplatz bis zur Krückau und über die heutige Bahntrasse hinweg. Die finanziellen Mittel standen ihm durch seine Heirat mit seiner zweiten Frau Felizitas von Münchhausen zur Verfügung. Obwohl am Ortsrand gelegen, war die Lage günstig: der Wedenkamp (heute Königstraße) verlief in einem Knick (heutige Holstenstraße) am Grundstück vorbei und nur der Kirchensteig zum Mühlenkamp – ein Fußweg zur heutigen Mühlenstraße – trennte das große Grundstück in zwei Teile. Prätorius errichtete ein „sehr stattliches großes Wirtshaus“ und erhielt eine Konzession zur „freien Wirtschaft, Brauerei, Weinund Bierschenke“ im „Haus Kopenhagen“. Die Besitzer wechselten, aber das weitläufige Grundstück blieb bis zum Beginn der Bodenspekulationen im Zuge des Eisenbahnbaus in einer Hand. Das neue Transportmittel revolutionierte die Fortbewegung und veränderte die Städte.

Der „Holsteinische Hof“ um 1891. Das vordere Gebäude besitzt nach links ältere Anbauten, ist aber in seinem Ursprung das um 1700 errichtete stattliche Wirtshaus. 1890 begann der Gastwirt mit einem Neubau in zwei Bauabschnitten. Der erste Bauabschnitt hinten im Garten zum Bahngleis hin steht auf dieser Fotografie bereits. Für den zweiten Bauabschnitt wurde das alte Wirtshaus abgerissen und mit einem Eckhaus bebaut. Foto: StA Elmshorn
Der neu gebaute „Holsteinische Hof“ an der Kreuzung Holstenstraße/Königstraße mit einer Gartenansicht. Mit Tanzsaal, Kegelbahn, drei Klubräumen, Veranda, Gartenrestaurant mit Tanzdiele und den vielen Fremdenzimmern war der „Holsteinische Hof“ nach dem Neubau 1895 das größte Gasthaus in Elmshorn. Postkarte: Sammlung IME

Das Bahnhofsgebäude

Das erste Bahnhofsgebäude lag hinter dem „Holsteinischen Hof“, in etwa auf dem Platz des heutigen Bahnhofsgebäudes. Der Eisenbahnbefürworter Claus Panje erbaute 1846 östlich der Bahngleise die „Schweizer Halle“, ein Gasthaus zur Unterbringung der Reisenden. Wenige Jahre später wurden die ersten Häuser in der heutigen Holstenstraße errichtet und mit der 1876 planmäßig angelegten Schulstraße erfolgte eine Aufwertung des Viertels. Mit dem Einzug von Ladengeschäften nicht nur in der Königstraße, sondern auch in der Holstenstraße und Schulstraße entstand eine neue Mitte.

Nach nur zwei Jahrzehnten musste, weil der gesamte Bahnhof zu klein dimensioniert war, bereits neu geplant werden. Der Bahnhof wurde 1864 auf die Ostseite, neben die „Schweizer Halle“ verlegt. Das alte Bahnhofsgebäude auf der anderen Seite diente nach einem Umbau zur Güterabfertigung. In das alte Empfangsgebäude zog die Post ein. Den Weg von der Königstraße auf die andere Bahnseite ermöglichten der 1866 angelegte Fußgängertunnel und der 1884 gebaute Fahrtunnel.

1938 entstand der Plan, den Holstenplatz mit dem „Holsteinischen Hof“ entsprechend der Bedeutung Elmshorns als Verkehrsknotenpunkt komplett umzugestalten und den Bahnhof wieder auf die Westseite zu legen. Der Architekt Fritz Höger schuf dafür eine Reihe von Bauplänen, deren Ausführung der Kriegsausbruch verhinderte.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ auf dem Bahnhofsvorplatz durch Bombenabwürfe schwere Schäden.

Das Hotel „Holsteinischer Hof“ wurde komplett zerstört, ebenso die anschließenden Geschäfts- und Wohnhäuser der Holstenstraße. Auch die Bahnhofsgebäude wurden beschädigt.

Bis zur Neubebauung des Holstenplatzes Anfang der 1960er Jahre erfolgte eine provisorische Nutzung. So wurden Behelfsbauten für Geschäfte errichtet, zum Beispiel für „Uhren-Wermbter“ und „Radio Dörr“ (Königstraße 2) oder für den „Eisbär“ am Holstenplatz. In dieser Bar mit Café schleckte wohl so mancher Elmshornerin das erste Eis, 1951. Foto: Per Koopmann, StA Elmshorn
Brandruine des „Holsteinischen Hofs“ auf dem heutigen Holstenplatz. In der Nacht des 3. August 1943 trafen Brandbomben das Hotel. Foto: Sammlung IME

Neugestaltung Bahnhofsviertel

Modell für die neue, einheitlich geplante Bebauung Holstenplatz mit Bahnhofsgebäude auf der Innenstadtseite. Der Platz ist gekennzeichnet durch große Flächen für Fußgänger. Der Autoverkehr wird um den Platz herumgeführt. Foto: Per Koopmann, StA Elmshorn

Der neue Holstenplatz – an der Stelle „Holsteinischer Hof“ Königstraße 4 mit dem umliegenden Gebiet wurde Ende der 1950er Jahre nach einem einheitlichen Bebauungsplan umgesetzt. Der Plan enthielt auch die Verlegung des Bahnhofsgebäudes zurück auf die Innenstadtseite am Holstenplatz, wo es heute noch genutzt wird.

Der Bahnhof wurde 1964 in Betrieb genommen und wartet inzwischen seit Jahren auf eine Erneuerung. Neben dem Reisezentrum ist hier auch die Bahnhofsmission zu finden.

Hier finden Reisende und andere Bahnhofsbesucher*innen Hilfe beim Ein-und Aussteigen, aber auch Beratung und Unterstützung bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten und anderen akuten Notsituationen.

Das neue Bahnhofsviertel im Bau. Der kleine Behelfsbau aus der Nachkriegszeit vor dem Gebäude Königstraße 4 (heute „Not Naked“) wurde mit Fertigstellung der neuen Geschäfts- und Wohnräume abgerissen. Foto: Per Koopmann, StA Elmshorn

Konkurrenz „Kepa“

In das neue Bahnhofsviertel zog bereits 1959 die „Kepa“ und war mit dem breiten Sortiment und der Selbstbedienung gleich für mehrere Geschäfte der Königstraße eine Konkurrenz. Die „Elmshorner Nachrichten“ berichteten: „Für die zahlreichen Neugierigen war der erste Gang durch das neue Haus im amerikanischen Supermarkt-Stil voller Überraschungen und kleiner Sensationen. Neu für Elmshorn ist vor allem der Lebensmittelselbstbedienungsladen mit einer Frischfleischabteilung, einer Imbißecke und Schallplattenbar. Sauber abgepackt in Zellophanbeuteln und frisch aus der Tiefkühltruhe wartet das Frischfleisch in ebenfalls gekühlten Theken nur darauf, von den kritischen Hausfrauen nach genauer Begutachtung ausgesucht zu werden.“ Zuvor war das „Kaufhaus mit den günstigen Preisen“ seit Dezember 1928 an der Ecke Flamweg/Marktstraße zu finden. 1977 wurden die „Kepa“-Filialen in „Karstadt“-Häuser umgewandelt.

Das „Kepa Kaufhaus“ am Holstenplatz im „amerikanischen Supermarktstil“ war 1959 die Sensation in Elmshorn – das Sortiment war breit gefächert. Foto: Per Koopmann, StA Elmshorn
1969 stiftete die Volksbank den „Flora-Brunnen“, eine Skulptur des Elmshorner Künstlers Wilhelm Petersen, der durch seine nationalsozialistische Vergangenheit belastet ist. Der mit Wasserfontänen angesprühte Beton-Schiffsbug in einem Becken mitten auf dem Holstenplatz musste zunächst mit einer Galionsfigur aus Beton eingeweiht werden. Die eigentliche Bronzefigur war erst ein Jahr später fertig. Da der Pflegeaufwand des Brunnens enorm war, wandelte die Stadtverwaltung das Becken in den 1980er Jahren zu einem großen Pflanzencontainer um. 2008 wurde er komplett abgerissen. Die Bronze-Galionsfigur befindet sich heute an der Außenfassade der Volksbank, Königstraße 27 in Blickrichtung Krückau. Foto: StA Elmshorn

Seit jeher Bekleidungsgeschäft

Holstenplatz 4 ist seit der Eröffnung des Gebäudes auch eine Adresse für Mode. In den Geschäftsräumen an der Ecke Holstenplatz/Königstraße war zuerst „Wiethe Moden“ in den 1950er Jahren der Anbieter, dann folgten in den 1960/70er Jahren „Hettlage und Lampe“ und später „Leineweber“, bevor Reinhard Moehlke das Geschäft als „Herren-Mode Moehlke“ von 1993 an ins 21. Jahrhunderts führte. Nach den Herrenbekleidungsgeschäften eröffnete das Modegeschäft „Anju“ in der Königstraße 4. Nach Geschäftsaufgabe entschlossen sich zwei ehemalige Mitarbeiterinnen, hier ein Bekleidungsgeschäft für Damen, Design und Mode „Not Naked“ im April 2018 zu gründen. Gute Idee: das Geschäft ist mit „Conny’s Cappuccino Café“ kombiniert. Hier gibt es heiße und kalte Getränke sowie süße und herzhafte Kleinigkeiten.

Der Holstenplatz mit dem Wohn- und Geschäftshaus Königstraße 4, in dem in den 1950er und 1960er Jahren das Bekleidungsgeschäft „Hettlage und Lampe“ zahlreiche Kund*innen anzog. Links im Hintergrund das „Kepa Kaufhaus“. Postkarte: Sammlung IME
Das Bekleidungsgeschäft für Damen, Design und Mode „Not Naked“ überzeugt mit stilvoller Einrichtung, Mode und Accessoires. Foto: Teja Sauer 2020, Sammlung IME
Blick in die Ladenfläche rechts in das Damen-Bekleidungsgeschäft „Not Naked“ und nach links in „Conny’s Cappuccino Café“ in der Königstraße 4. Foto: Teja Sauer 2020, Sammlung IME

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