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Eine Gastwirtschaft wird Döner-Imbiss

Hermann Kelting (1841–1922) führte gemeinsam mit seiner Ehefrau Wilhelmine Henriette geb. Twisselmann die Schankwirtschaft „Zur Börse“. Seine Frau brachte als Tochter des Maurermeisters und Bauunternehmers Peter Twisselmann Haus und Grund in der Königstraße 5 mit in die Ehe. Der benachbarte Bahnhofsbau hatte ab 1843 zu einer regen Bautätigkeit von Peter Twisselmann auf der bisher leeren Wiese geführt. Hermann Kelting war zwar gelernter Schiffszimmermann64, brachte jedoch aus seinem Elternhaus Erfahrungen zum Führen einer Gaststätte mit. Sein Vater Hinrich Kelting führte über Jahrzehnte das traditionsreiche „Große Haus“ (abgerissen, heute Ecke Alter Markt/Damm.) Nach dem Tod von Hermann Kelting betrieb Keltings Tochter Hermine die Gastwirtschaft alleine weiter.

Viele Jahrzehnte lang befanden sich auf der südlichen Seite der Königstraße, direkt nach dem Bahnhofstunnel, zwei Schankwirtschaften in direkter Nachbarschaft: „Gerhardt´s Gasthaus“ (beziehungsweise dessen Vorgänger) und das Gasthaus „Zur Börse“ rechts daneben.

Ein Blick von oben auf die Gastwirtschaft „Zur Börse“, Mitte der 1950er Jahre. Foto: StA Elmshorn

Ausschank im maritimen Ambiente

Nicht nur die resolute Schankwirtin, Hermine Kelting, die in den oberen Etagen wohnte, auch die maritime Innenausstattung des Gasthauses dürfte einigen der früheren Gäste in Erinnerung geblieben sein. Denn der Gastraum war mit Erinnerungsstücken bestückt, die Gäste – darunter viele Seeleute – von ihren Reisen mitgebracht hatten. Eines der wohl am weitesten gereisten Mitbringsel soll ein Sägefisch-Knochen gewesen sein, der an prominenter Stelle die Wand schmückte. Die Idee, maritimes Ambiente in die Gaststube zu holen, hatte Hermann Kelting. Schließlich lagen Hafen und Werft nicht weit von der Schankwirtschaft entfernt. Nach dem Tod Hermanns übernahm seine Tochter Hermine 1922 allein das Ruder und führte die Sammeltradition ihres Vaters fort.

Hermine Kelting

Erwerbstätigkeit war in der Frauengeneration, in die Hermine Kelting 1874 hineingeboren wurde, meist als helfende Familienangehörige üblich. Hermine, die bereits vor dem Tod des Vaters in der Gaststätte mitarbeitete, kann durch ihre Selbstständigkeit zu Recht als tatkräftige und emanzipierte Frau bezeichnet werden. Die unverheiratete Hermine musste nicht nur den Betrieb aufrechterhalten und Verhandlungen mit den Getränkelieferanten führen. Auch gab es immer einmal wieder pöbelnde Gäste, die sie persönlich vor die Tür setzen musste.

Ein Ort mit Musik

In den 1940er Jahren – so berichtet der damals nebenan wohnende Sohn des Gastwirts, Ernst-Gerhardt Scholz – ertönte mindestens einmal die Woche von der zur Krückau liegenden Keltingschen Veranda her handgemachte Musik. Dann probte die bis heute bestehende „Liebhaberkapelle für Volksmusik“ bei Hermine ihre Stücke. Mit einer Fülle von Instrumenten wie Trommeln, Geigen, Mandolinen, Quetschkommoden und Klavier brachte die bis zu 20-köpfige Combo Schwung auf die Veranda. Das Repertoire der von Hans Möller dirigierten Kapelle bestand im Wesentlichen aus Unterhaltungsmusik, bevorzugt Marschmusik!

Die Liebhaberkapelle bei der Probe, 1934. Vermutlich handelt es sich um einen Übungsabend bei Kelting. In den 1940er Jahren probten die Herrschaften sehr gerne auf der Veranda. Foto: Privatbesitz

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Hermine die Gaststätte bis zu ihrem Tod Ende der 1950er Jahre weiter. Mehr als zwei Jahrzehnte lang standen die Wirtschaftsräume leer, nur die Stockwerke darüber waren bewohnt. Nach einer vollständigen Renovierung der ehemaligen Gasträume eröffnete dort Anfang der 1980er Jahre der „Anker-Imbiss“. Seit seiner Schließung Ende der 1990er Jahre sind dort immer wieder Schnell-Restaurants für türkische Spezialitäten untergebracht. Auf den „Anker-Imbiss“ folgte „Antep-Grill“, dann „Mr. Kebap“.

Das leerstehende Gasthaus 1964. Foto: E.-G. Scholz
Mr. Kebap“, 2018. Foto: Sammlung IME
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