47

Keimzelle des Elmshorner Konzerns Carstens

Heute wird das Gebäude in der Königstraße 47 vielfältig genutzt: „Fielmann“ bietet Brillen, Kontaktlinsen und Hörgeräte an, die „Tanzschule Loferski“ sorgt für Rhythmus in der Königstraße und der „Studienkreis“ unterstützt Schüler*innen mit Nachhilfe.

In den 1870er Jahren gründete hier Christian Hinrich Carstens mit einem weiteren Geschäftspartner ein Glas- und Porzellangeschäft, aus dem der „Carstens“-Konzern mit 14 Fabriken in Deutschland hervorging. Die Glas- und Porzellanhandlung in der Königstraße führte ab den 1890er Jahren die Familie Thormählen weiter, später war hier die „Buchhandlung Hellmann“ zu finden.

Die Gründung der „Steingutgroßhandlung C.H. Carstens“ erfolgte 1878 noch unter der Adresse Königstraße 47. Um 1890 verlegte Carstens den Betrieb in die Schulstraße 18 und errichtete dort mehrere Gebäude, unter anderem das fünfstöckige Speichergebäude in der Catharinenstraße 1, in dem sich heute das Industriemuseum Elmshorn befindet. Der erfolgreiche Unternehmer ermöglichte seinen beiden

Die Filiale der Drogerie „Budnikowsky“ zog mit der Eröffnung des Gebäudes „Neuer Markt“ von der Königstraße 47 dorthin um. Foto: Carsten Petersen 2012

Söhnen den Ankauf von drei Steingutfabriken. 1907 begann die Produktion in der Elmshorner Steingutfabrik, die von den beiden Brüdern am Nordufer der Krückau errichtet worden war. Mit den weiteren von Christian Carstens gegründeten und angekauften Fabriken besaßen die Brüder Anfang der 1920er Jahre 14 Fabriken mit über 3.000 Beschäftigten. Zu dieser Zeit arbeiteten in Elmshorn rund 400 Menschen.

Familie Thormählen aus der Königstraße 47

von Dr. jur. Claus Arved Bolle

Das Industriemuseum Elmshorn rief vom November 2018 bis zum Sommer 2020 dazu auf, Geschichten aus der Königstraße mit ihm zu teilen. Auf diesen Aufruf meldete sich Dr. jur. Claus Arved Bolle, der einige Jahre seiner Kindheit in der heutigen Haupteinkaufstraße verbrachte.

Das Porzellangeschäft Claus Thormählen bot „Steingut, Porzellan, Glas, Tafel- und Küchengeräte“ in der Königstraße 47 an. Foto: Privatbesitz

„Ich wurde 1933 in dem Hause Königstraße 47 geboren und habe dort von 1940 bis 1945 gelebt. Das Haus gehörte damals meiner Großmutter Frau Anna Thormählen.

Das Haus wurde Ende der 1890er Jahre von meinem Großvater Claus Thormählen (1864-1924) gebaut, der dort zusammen mit seiner Ehefrau Anna geb. Harms (1874-1968) ein Porzellan- und Haushaltswarengeschäft betrieb. Das Geschäft entwickelte sich sehr gut. Er hatte das Glück, dass er in seiner Ehefrau eine starke Partnerin hatte. Seine Frau war nicht nur eine gute Geschäftsfrau, sondern hatte auch sehr viel Geschmack und war so in der Lage, anspruchsvolle, zahlungskräftige Kundschaft an das Geschäft zu binden. Beide verstanden es, sich in Elmshorn und deren Umgebung einen Kundenkreis für teure Porzellane wie Geschirre von Meißen, Königlich Kopenhagen, Königlich Berlin und Nymphenburg, sowie entsprechend für hochwertige Gläser zu schaffen. Die wertvollen, den Stil ihres Geschäfts prägenden Porzellane kauften sie viel bei Besuchen von Messen, insbesondere der Leipziger Messe, ein.

Zur Weihnachtszeit und wichtigen anderen Anlässen nutzte das Ehepaar Thormählen auch ihre Wohnräume im ersten Stock, um ihre Waren zu präsentieren. Foto: Privatbesitz
Eine Anzeige aus dem Elmshorner Adressbuch von 1896. Adressbuch: Sammlung IME

Elmshorn war in den sogenannten Gründerjahren eine aufstrebende Industriestadt mit einer großen Lederindustrie, einer Werft und vielen Mühlen. Soweit mir bekannt ist, war Elmshorn 1913, bezogen auf den Getreideverkehr in Deutschland, nach Hamburg und Magdeburg an dritter Stelle positioniert. Aber auch in den Höfen der umliegenden Marschen fanden sie einen großen Kundenkreis, wobei hier von Vorteil war, dass mein Großvater aus Moorhusen stammte und dort verwandtschaftlich gut vernetzt war. Außerdem war für ihn von Vorteil, dass sein 15 Jahre älterer Bruder Heinrich Thormählen auf dem Nachbargrundstück Königstraße 45 ein Geschäft für Manufakturwaren führte und er auch Ratsherr der Stadt war. Meine Großmutter ihrerseits hatte enge eigene Kontakte in der Stadt, denn sie war von ihrem sechsten Lebensjahr an als Waisenkind in der Färberei Otto Junge in der Königstraße 7-9 bei Onkel und Tante groß geworden.

Meine Großeltern hatten drei Söhne und eine Tochter, die in den Jahren 1898 bis 1903 geboren wurden. Ihr ältester Sohn fiel 1917 in Flandern.

Nachdem mein Großvater 1924 verstarb, führte meine Großmutter das Geschäft bis 1928 fort und verkaufte es, da es keines ihrer Kinder übernehmen wollte. Der neue Geschäftsinhaber, ein Herr Schütt, zog, soweit mir bekannt ist, in die Marktstraße. Die Geschäftsräume in der Königstraße 47 wurden vermietet. Prägender Mieter eines Teiles der Räume war während des Krieges und noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg die Buchhandlung Hellmann. Nach dem Tode meiner Großmutter 1968 wurde das gesamte Anwesen verkauft.

Für die Königstraße wünsche ich mir eine Geschäftsstraße mit möglichst vielen kleineren individuellen Geschäften, die auch Waren führen, die nicht in den großen Einkaufzentren außerhalb der Stadtzentren angeboten werden. Ich wünsche mir weiter den Bestand alter Bausubstanz, um eine besondere warme Atmosphäre der Straße zu erhalten. Ich wünsche mir Gaststätten, die zu längerem Verweilen einladen, in denen Gespräche nicht durch den Lärm von Espressomaschinen beherrscht werden. Vor Augen habe ich in Kiel die „Dänische Straße“ oder den Beginn der „Holtenauer Straße“ von Hausnummer 1 bis 60. Auch das Einkaufsgemisch in Eckernförde bietet sich als Ideengeber an.“

„Buchhandlung Hellmann“

Das Ehepaar Hans und Paula Hellmann eröffnete 1932 eine Buchhandlung mit Leihbücherei in der Hausnummer 47. Nachdem das Ehepaar Hellmann während eines Bombenangriffs auf die Krückaustadt 1943 ums Leben gekommen war, übernahm Olga Hellmann, die Schwester des Gründers, die Buchhandlung. Wenig später machte sie ihre Mitarbeiterin Karla Stempelmann (1924-1998) zur Teilhaberin und dies war der Start zur sehr beliebten und bekannten „Buchhandlung Hellmann-Steffen“. Karla Stempelmann lernte 1949 ihren späteren Mann Boje C. Steffen (1924 – 2008) kennen, und er folgte ihr nach Elmshorn. 1951 heiratete das Paar und Boje Steffen stieg mit in die Buchhandlung ein.

Das Haus links am Bildrand ist die „Buchhandlung Hellmann-Steffen“ in der Königstraße 47. Foto: E.-G. Scholz
Boje Steffen mit Mitarbeiterinnen. Foto: E.-G. Scholz
Die neuen, großzügigen Räumlichkeiten der „Buchhandlung Hellmann-Steffen“ in Streckers Gang, 1969. Foto: E.-G. Scholz
Christiane „Krischan“ Wehrmann begann 1968 ihre dreijährige Ausbildung als Buchhändlerin in der „Buchhandlung Hellmann-Steffen“. 1970 erschien das außergewöhnlichste Buch ihrer Ausbildungszeit: „Zettel‘s Traum“ – schon allein wegen seines DIN A 3 Formates. Aber: „Der schwere Foliant ist auch inhaltlich schwer verdaulich“. Foto: E.-G. Scholz

Karla und Boje Steffen leiteten ihre „Buchhandlung Hellmann-Steffen“ gemeinsam und vergrößerten die Räumlichkeiten 1969 in den seitlichen Streckers Gang.

Bereits 1950 wurde Boje Steffen ehrenamtlicher Geschäftsführer des Stadttheaters und blieb dies fast 50 Jahre lang. Ab 1962 engagierte er sich für die FDP in der Kommunalpolitik, u. a. auch als Schuldezernent. 1981 wurde Boje C. Steffen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und erhielt 1994 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Elmshorn.

1977 eröffnete das Buchhändlerehepaar am Alten Markt 7 einen zweiten Buchladen mit Schwerpunkt Literatur. Sechs Jahre später musste die „Buchhandlung Hellmann-Steffen“ das Hauptgeschäft in der Königstraße 47 aus Kostengründen in die Königstraße 22 d (Ladenstraße) verlegen. Hier zog auch die Geschäftsstelle des Stadttheaters („Theatergemeinschaft Elmshorn“) mit ein. Im breiten Angebot waren 40.000 Bände auf Lager.

Filialisten „Budni“ und „Fielmann“

Nachdem Karla und Boje Steffen 1992 ihre Buchhandlung aufgaben, waren dort ein Schuhgeschäft und danach die „Telekom“ Mieter. Es folgte die Firma „Budnikowsky GmbH“, die dann auch den vorderen Teil der Geschäftsfläche an der Königstraße, in dem zuvor „Photo Porst“ gewesen war, mit übernahm. Im Sommer 2013 wechselten eine Reihe Geschäfte in der Königstraße hin und her, da aus dem leer stehenden Kaufhaus am Alten Markt ein neues Einkaufszentrum entstand. Hier ist seitdem die „Budni“-Filiale im Keller zu finden.

Nach einer Weile Leerstand und Zwischennutzung in der Königstraße 47 zog 2017 die „Fielmann AG“ ein. Mit dem Auszug aus der Königstraße 4-6 verdoppelte sich ihre Verkaufsfläche.

Eine Schauvitrine mitten in der Königstraße und das Schild „Buchhandlung Hellmann-Steffen“ über dem Eingang Streckers Gang zeigten den Lesehungrigen den Weg. Vorne im Geschäft an der Königstraße war zu dieser Zeit eine Filiale von „Photo Porst“, Aufnahme um 1980. Foto: Carsten Petersen
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