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Wechselhaftes Geschäftsleben – heute „Schuh Kay“

Bereits seit 1965 bietet „Schuh-Kay“ modische Schuhwaren in der Königstraße 23 an. Im Elmshorner Adressbuch von 1893 sind zwei Geschäfte in der Königstraße 23 genannt: in der linken Haushälfte die langjährig existierende Milchhandlung des Hauseigentümers Gustav Möller und in der rechten Hälfte das Manufakturwarengeschäft von „Blaubach und Schlapkohl“. Nach dem Auszug der beiden Kaufleute in das schräg gegenüberliegende Haus Nummer 26 betrieb der Korbmacher Gustav Jäger um 1900 hier ein Geschäft für Korbwaren.

1911 eröffnete der 1886 geborene Hermann Allwardt in der Hausnummer 23 eine Niederlassung des Hamburger Kaffee-Lagers und Handelshauses „Thams & Garfs“ (1908 gegründet). Das Gebäude und dessen Garten im Hinterhof am Ufer der Krückau diente Allwardt auch als Familienwohnsitz. Sowohl von Elmshorner Bürgern als auch von Reisegästen frequentiert, bot das Geschäft neben importierten Genuss- und Lebensmitteln auch Spirituosen an.

Die wachsende Nachfrage nach alkoholischen Getränken brachte „Thams & Garfs“ allerdings in Gegnerschaft zu dem Prohibitionsverein „Volkswohl“, dessen Wortführer J.P.H. Kröger 1925 gegen die Erteilung der Alkoholverkaufslizenz für die im Zuge von Umbauarbeiten entstandenen neuen Räumlichkeiten des Kolonialwarenladens protestierte. Allwardt verdiene „Geld genug in der Königstraße“, so Kröger in einem seiner letztendlich erfolglosen Protestschreiben an die Stadtverwaltung, er habe es „nicht nötig mit Alkohol zu handeln.“

Eine Filiale von „Schuh Kay“ eröffnete im März 1968 in der Königstraße 23. Foto: E.-G. Scholz, Privatbesitz
Links am Bildrand wirbt Gustav Jäger am Haus Nr. 23 für seine Korbwaren. Postkarte um 1910, StA Elmshorn

1935 zog die Familie Allwardt von der Königstraße Nr. 23 in Nr. 31 um, während der Kolonialwarenladen und die weiteren Räumlichkeiten durch verschiedene Pächter betrieben wurden. So leitete Albert Kopas das Geschäft vor und während des Zweiten Weltkrieges, wobei er sich während des Kriegsgeschehens infolge von Personalmangel gezwungen sah, das Lebensmittelangebot einzuschränken. Als er Ende 1945 um die Erlaubnis bat, den Verkauf von Brot wieder aufzunehmen, wie er es bis 1940 angeboten hatte, wurde ihm dies mit der Begründung verweigert, dass es in der Königsstraße bereits genügend Bäckereien gab, um die Nachfrage der Bevölkerung zu decken.

Die Spuren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Krieges lassen sich beispielhaft auch an der Person der 1906 geborenen Anneliese Speers aufzeigen, die Anfang 1947 um die Erteilung der Erlaubnis bat, in den Räumlichkeiten der Königstraße Nr. 23 in der Entbehrungssituation der unmittelbaren Nachkriegszeit eine Werkstatt für Kinder- und Babyhausschuhe einrichten zu dürfen. Speers Ehemann und dessen Familie waren während der NS-Diktatur als „jüdische Mischlinge“ politisch wie gesellschaftlich ausgegrenzt und rechtlich benachteiligt worden. Ob ihrer Bitte seitens der alliierten Besatzungsverwaltung, an welche sie sich im Zuge des Entnazifizierungsprozesses gewandt hatte, stattgegeben wurde, ist aus den Akten des Stadtarchivs leider nicht ersichtlich.

Werbeanzeige aus dem Elmshorner Adressbuch 1911, Sammlung IME
Der Nationalsozialismus war auch in der Königstraße nicht zu übersehen. Hier ziehen die uniformierten Männer mit NS-Fahnen vor dem Gebäude Königstraße 23 vorbei. Das Wohn- und Geschäftshaus besaß ursprünglich eine Klinkerfassade. In den 1930er Jahren befanden sich hier ein Kolonialwarenladen, der auch „J.J. Darboven-Kaffee“ verkaufte und das „Fahrradhaus John Ketelsen“. Foto: StA Elmshorn

Der Kolonialwarenladen wurde schließlich 1952 von der 1903 geborenen Erna Kelting übernommen, nachdem dieser zuvor von ihrem verstorbenen Ehemann – vermutlich in Nachfolge von Albert Kopas – betrieben worden war.148 Auch im Hinterhof des Grundstücks herrschte in den 1950er Jahren ein reges Geschäftsleben. Dort betrieb das Hamburger Ehepaar John und Lucie Ketelsen einen Fahrrad- und Motorradverkauf.

Die Geschichte des ehemaligen Kolonialwarenladens „Thams & Garfs“ endete schließlich 1957, als der 1910 geborene Hauseigentümer Gustav Möller junior das Ladengeschäft der Königstraße Nr. 23 selbst nutzen wollte, und dort nach umfangreichen Umbauarbeiten die Gastwirtschaft „Möller‘s Imbißstube“ eröffnete. Gegen diese Eröffnung protestierte – letztendlich erfolglos – die Elmshorner Ortsgruppe der „Hotel- und Gaststättenbetriebe Schleswig-Hol­stein“, da die neue Konkurrenz den bereits in der Königstraße befindlichen Gaststätten schaden würde.

Gemeinschaftlich mit Möller wurde die Gastwirtschaft von der 1916 geborenen Salme Sinilaid betrieben – öffentlich und offiziell trat sie als Verlobte des verheirateten, aber von seiner Ehefrau getrennt lebenden Gustav Möller auf. Als dieser 1961 starb und seiner ‚Verlobten‘ die Gastwirtschaft testamentarisch vererbte, stellte die Stadtverwaltung fest, dass Sinilaid seit Jahren illegal in den Küchenräumlichkeiten gewohnt hatte, entgegen aller hygienebürokratischen Bestimmungen.

Obwohl ihr der Weiterbetrieb von „Möller’s Imbißstube“ letztendlich doch erlaubt wurde, konnte Salme Sinilaid die Türen der Gastwirtschaft in den Folgejahren nicht wieder öffnen – sie litt an schweren gesundheitlichen Problemen und starb schließlich 1964.

Zuvor hatte sie die Maschinerie der Stadtverwaltung in regelmäßigen Abständen bürokratisch angemahnt, den Gastbetrieb doch wieder aufzunehmen.

Kinowerbung für das Bekleidungsgeschäft „Max Lenz“. 1962 ist im Elmshorner Adressbuch nicht nur „Möllers Gastwirtschaft“ verzeichnet, sondern auch die Firma „Max Lenz“. Sammlung IME
Schuh Kay“ um 1970. Foto: Stadtarchiv Elmshorn

Im März 1968 zog die Elmshorner „Schuh Kay“ Filiale von der Panjestraße 18 in die Königstraße 23 um. Damit gehört das Geschäft schon über 50 Jahre zum beständigen Teil der Königstraße.

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