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Vom Armenhaus zur Volksbank

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Ausgerechnet an jener Stelle, an der bis 1890 Elmshorns Armenhaus stand, errichtete der 1869 gegründete erste Kreditverein für die mittelständische Wirtschaft Elmshorns ein Bankhaus. Aus diesem Kreditverein ging 1941 schließlich die Volksbank hervor.

Das Präbendenstift

Bis Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Armenversorgung in Elmshorn zunächst von den Kirchen geleistet. Mit der Stiftung des Reichsgrafen Christian Rantzau (1614-1663), dem 1657 gegründeten Präbendenstift am Wedenkamp (auf Höhe der heutigen Volksbank), übernahmen Regierung und Kirche gemeinsam die Aufgabe der Armenversorgung.

Seit Gründung des Kirchspiels Elmshorn um 1362 war der Ort stetig angewachsen. Wer nicht selbst Landwirtschaft betrieb, war auf Nahrungsmittel von außen angewiesen. Diese Menschen waren besonders häufig von Armut und Obdachlosigkeit betroffen. In der Landbevölkerung existierte hingegen ein geregeltes Versorgungssystem für ältere Familienmitglieder. Sie wurden im Zuge der Altenteilregelung auf dem Hof untergebracht und versorgt. Für das Kirchspiel bzw. den Flecken Elmshorn ist zwischen 1650 und 1850 eine enorme Steigerung der Ausgaben für die Armenversorgung zu verzeichnen.

Der Kreditverein Elmshorn errichtete 1890 dieses stattliche Bankgebäude an der Ecke Königstraße/Holstenstraße. Foto: VR Bank in Holstein

In die Armenkasse flossen vorwiegend Gelder aus dem Kirchenvermögen, Sammelgelder aus Kollekten und dem Armenstock der Kirche St. Nikolai. Auch vermögende Eingesessene trugen mit Stiftungen (Legaten) zur Armenkasse bei. Ferner lässt sich für das 19. Jahrhundert nachweisen, dass vermögende Hausbesitzer und Mieter von Wohnraum Beiträge beisteuern mussten.

Das Präbendenstift, Elmshorns Armenhaus. Links hinten das alte Gebäude des Holsteinischen Hofes. Gemälde des Elmshorner Malers Heinrich Lange. Sammlung IME

Die Armencommüne in Elmshorn verwaltete zwei Ar­menhäuser. 1778 errichtete die wohlhabende Witwe Margaretha Engelbrecht mit dem Margaretha-Engelbrecht-Stift auf Klostersande 88 einen eigenen Armenstift. Nach ihr ist die Margarethenstraße benannt.

Das Präbendenstift – wer hier wohnte

1657 gründete Reichsgraf Christian Rantzau auf dem Wedenkamp das Präbendenstift. Das erste Gebäude war im Jahr der Erbauung von schwedischen Soldaten niedergebrannt worden. Am 27. September 1663 entstand an selber Stelle ein Neubau. Seit der Wedenkamp 1870 in Königstraße umbenannt wurde, wurde das Stift unter der Adresse Königstraße 17 geführt.

Finanziert wurde das Stift durch Zinsen aus der Kapitalausstattung. Dabei mussten Adelige und wohlhabende Elmshorner Beiträge leisten. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts steuerte auch die Elmshorner Kirche Finanzmittel bei. Die gute Finanzlage erlaubte um 1735 den Anbau eines Flügels, 1740 wurde eine Kapelle errichtet.

Das Präbendenstift war ursprünglich nicht zur Beseitigung der Armut der Elmshorner*innen gedacht. Unter den anfangs 14 Personen, die in sieben Zellen wohnten, waren auch Auswärtige aus der Grafschaft Rantzau und dazugehöriger Komplexe. Beispielsweise waren dort unvermögende Witwen königlicher Beamter untergebracht, wie die Adelige Dorothea Plessen.

Die Zusammensetzung der Bewohner- und Nutznießerschaft änderte sich erst allmählich gegen Ende des 18. Jahrhunderts hin zur niederen Bevölkerungsschicht. 1773 waren der „Präbendenmutter“ 13 Personen zugeordnet, darunter sechs Frauen, die Zellen im Stift bewohnten. Weitere sieben Personen, über deren Geschlecht keine Informationen vorliegen, hatten eigene Wohnstätten und bekamen ihr Geld zugesandt. Die Armen bekamen pro Quartal eine bestimmte Summe zugesprochen, von der die Begräbniskosten einbehalten wurden.

Alle Präbendisten waren zum regelmäßigen Kirchenbesuch angehalten. Die Befolgung wurde streng überwacht.

Aufgrund einer guten finanziellen Ausstattung konnten die Plätze im Präbendenstift immer weiter auf schließlich 32 Plätze ausgebaut werden.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das Gebäude baufällig und stand dem Ausbau der Königstraße im Wege. Das Grundstück wurde 1890 verkauft und das Präbendenstift abgerissen. Auf dem Eckgrundstück an der Kreuzung Holstenstraße/Königstraße errichtete der Kreditverein ein Bankgebäude. Als Ersatz für das alte Armenhaus wurde auf einem neu erworbenen Grundstück an der Friedensallee ein großes Stiftsgebäude mit Stiftskirche gebaut und 1891 eingeweiht.

Der „Kreditverein zu Elmshorn“

Es ist kein Zufall, dass sich gerade in politisch und wirtschaftlich herausfordernden Zeiten – und kurz nachdem Elmshorn zur Stadt ernannt wurde – Elmshorns erster genossenschaftlich organisierter Kreditverein gründete.

Angelehnt an die Genossenschaftsidee des Volksbank-Gründers Hermann Schulze-Delitzsch und auf Anregung des Elmshorners Christian Wagener tat sich 1869 ein Gremium von 13 Elmshorner Bürgern aus allen Berufszweigen zur Gründung des „Kreditvereins zu Elmshorn“ zusammen.

Maßgabe der Genossenschaftsbank war das Genossenschaftsgesetz vom 1. Mai 1869. Der Verein, eine Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht, gewährte Arbeitern, Angestellten, Landwirten, Handwerkern und kleinen Gewerbetreibenden Kredite.106 Diese konnten nun in ihre Unternehmen oder Wertpapiere investieren, was der hiesigen Wirtschaft zugutekommen sollte. Auch stellte der Verein schmiedeeiserne Schränke zur Verwahrung des Vermögens zur Verfügung.

Zu Beginn war der Kreditverein in der Panjestraße, in der ersten Etage der „Elmshorn-Barmstedt-Oldesloer Eisenbahn“ untergebracht. 1870 kaufte der Verein ein Bankgebäude in der Königstraße. Als es zu klein wurde, erwarb der Verein das Grundstück, auf dem das Präbendenstift stand.

1941 erfolgte die Umbenennung in „Volksbank Elmshorn e.G.m.b.H“.

Bombenangriffe auf Elmshorn

In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1943 fiel das Volksbankgebäude den Bombenangriffen auf Elmshorn zum Opfer – das Gebäude brannte vollständig aus.

Während die Volksbank im Notbetrieb geführt wurde, begannen im November 1946 die Planungen für einen Neubau auf den Ruinen der Volksbank. Mehrere Elmshorner Architekten reichten Entwürfe ein, als Gewinner ging Dipl.-Ing. W. Thee hervor.

Schauseite der im Bombenhagel zerstörten Volksbank, 1943. Foto: Per Koopmann, StA Elmshorn

Da in den 1950er Jahren aufgrund der Kriegsverluste allgemeine Knappheit an Baumaterial herrschte, verwarf man Thees ursprüngliche Idee, fünfgeschossig zu bauen. Als Gegenpol zum gegenüberliegenden Gebäude von Elektro Meyn einigte man sich auf vier Stockwerke.

In das Untergeschoss kamen die Schalterhalle und die Büroräume, in die oberen Etagen Wohnungen und Geschäftsräume für Arztpraxen und Versicherungsvertretungen. Tatsächlich zog dort später die „Barmer Ersatzkasse“ ein.

Mit dem Bau des neuen Gebäudes wurde die Firma „Sölter & Kurtzhals“ beauftragt. In Gemeinschaftsarbeit mit Thee errichtete sie auf den erhalten gebliebenen Mauern der ausgebombten Volksbank einen Ziegelbau, der sich optisch an die alte Volksbank anlehnte. Am 31. März 1951 wurde die neue Volksbank schließlich wieder eröffnet.

Der Eingang in die Bank lag angrenzend zum Nachbargebäude Nummer 19 zur Königstraße hin. Die „Elmshorner Nachrichten“ schrieben am 31. März 1951 über das neue Volksbank-Haus: „Als erstes Haus in Elmshorn besitzt das Gebäude einen Personenfahrstuhl, der vom Publikum selbst zu betätigen ist. Manch einer wird dem Instrument zunächst noch ratlos gegenüberstehen; wer aber erstmal seine Technik kennt, wird nie mehr die Treppe bis zum 5. Stock benutzen.“ Foto: VR Bank in Holstein

Abgesehen von den Tresorräumen waren im Kellerraum unter anderem ein Kohlenkeller und eine Waschküche zu finden. Im Erdgeschoss lagen, jeweils in abgeschlossenen Bereichen, das Direktorenzimmer, eine Telefonzentrale, ein großes Sitzungszimmer und ein kleineres Sprechzimmer, außerdem die Kassenhalle mit Schaltern.

Technische Revolution und Anbau

In den 1960er Jahren löste die elektronische Datenverarbeitung die Lochkartentechnik ab. Auch in der Bankbranche brachte diese Umstellung einen fundamentalen Wandel mit sich. Die Elmshorner Volksbank passte sich dieser Technisierung an. Im März 1969 stellte die Bank die Buchhaltung auf die elektronische Datenverarbeitung um. Zusätzlich baute sie den Dienstleistungsbereich aus, im Schalterraum entstanden Arbeitsplätze für Kundengespräche. Drei Jahre später wurde ein Anbau entlang der Berliner Straße gebaut, mit dem 1.200 qm mehr Nutzfläche entstanden.

Im Zuge des Erweiterungsbaus entlang der Berliner Straße 1972 wurde eine Eloxalfassade (Metallplatten) am Altbau angebracht. Weiterhin erfolgte die Verlegung des Eingangs in die Gebäudespitze zur Straßenkreuzung hin. Foto: VR Bank in Holstein
1969 stellte die Volksbank auf elektronische Datenverarbeitung um. Foto: E.-G. Scholz
Erst ab Mitte der 1980er Jahre wurde die Verkleidung der Fassade mit Metallplatten zunehmend als unschön empfunden. Aus diesem und aus Verschleiß-Gründen erhielt das Gebäude im Jahre 2008 eine neue Klinkerfassade mit heimischem Klinker aus Glückstadt. Foto: Teja Sauer 2020, Sammlung IME
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