Besonderes Kulturdenkmal
Von größter Bedeutung für die Identität und Entwicklung des Ortes Elmshorn war der Bau der Kirche St. Nikolai.
Ein Leben in Hinwendung zur Kirche wurde zur Zeit der Gründung der Nikolaikirche im ausgehenden Mittelalter nicht in erster Linie aufgrund persönlicher religiöser Überzeugungen geführt, sondern war für die Menschen ganz selbstverständlich die Grundlage ihres Daseins. Deutlich wurde dies natürlich vor allem an den Dreh- und Angelpunkten des Lebenslaufs, die auch heute noch häufig kirchlich begangen werden: In der Kirche wird ein Kind durch die Taufe im Leben willkommen geheißen, dort schließen die Menschen den Bund fürs Leben und auch das Lebensende wird mit einem christlichen Begräbnis begangen. An Sonn- und Feiertagen wird die Arbeit unterbrochen, um Gottesdienst zu feiern. Aber auch bei weltlichen Geschehnissen läuteten die Kirchenglocken, so wurde durch Glockengeläut vor Gefahr beispielsweise durch Feuer gewarnt oder im Verteidigungsfall die Bevölkerung zu den Waffen gerufen. Auch für die Zeiteinteilung der Menschen war die Kirche wichtig, denn bevor es Uhren in Privathaushalten gab, orientierte man sich am Stundenschlag der Kirchenuhr.
Die erste Elmshorner Kapelle gehörte zur Kirche in Barmstedt und befand sich südlich der Au an der Trasse des Ochsenweges am heutigen Wechselplatz. Als Mitte des 14. Jahrhunderts der kleine Ort Elmshorn eine eigene Kirche erhalten sollte, wählte man einen günstigen Platz am hohen Geestrand, wo sich zwei wichtige Straßen kreuzten.
Ein Ort, der eine Kirche sein eigen nannte, war damit der Mittelpunkt eines Kirchspiels, das im Herzogtum Holstein wie auch in einigen anderen Gegenden zugleich einen Verwaltungs- und Gerichtsbezirk darstellte. Eine Kirche war auch in wirtschaftlicher Hinsicht von Vorteil. In vorreformatorischer Zeit wurden zu besonderen Feiertagen die Jahrmärkte abgehalten. Die Märkte in Elmshorn wurden bis ins 18. Jahrhundert noch „Kirchmessen“ genannt[1]. Handel und Handwerk und somit auch das Wachstum des Ortes wurden dadurch begünstigt.
Die neue Kirche wurde aus Backsteinen im Stil einer Saalkirche mit einer flachen Decke und einem vermutlich recht massiven Turm gebaut. Der Namenspatron der Kirche wurde, wie in vielen anderen Hafenstädten auch, der Heilige Nikolaus, der Schutzheilige der Fischer und Schiffer.
Die Nikolai-Kirche gehörte zur Dompropstei Hamburg, wurde aber 1428 übergeben an das Kloster in Uetersen. Durch die Anbindung an das katholische Cistercienserkloster verzögerte sich auch die Einführung der Reformation in Elmshorn, die erst 1561 erfolgte.
Durch die Pest, Sturmfluten und Blitzeinschläge in den Kirchturm wie auch eine Reihe von kriegerischen Auseinandersetzungen brach für Elmshorn im 17. Jahrhundert eine schwere Zeit an. Nachdem die Kirche erst 1648 durch den Einsatz einiger mutiger Bürger, die den durch Blitzeinschlag brennenden Turm von innen bestiegen und – einem alten Aberglauben folgend – ihre mit Milch befüllten Ledereimer über das Feuer auskippten, gerettet wurde, wurde sie bald darauf absichtlich abgebrannt. Der Schwedenkönig Karl X. Gustav ließ im 2. Nordischen Krieg am 5. August 1657 den gesamten Ortsteil nördlich der Krückau mitsamt der Kirche niederbrennen.
Reichsgraf Christian von Rantzau sammelte in Hamburg und Lübeck und an den Fürstenhöfen für den Bau einer neuen Kirche und spendete selbst Holz sowie 7000 Mauersteine. Der Wiederaufbau erfolgte turmlos, nur ein großes Dach mit Uhr und Glockenstuhl überspannte die Reste der Brandmauer des alten Turmes.
Der Bau einer Orgel wurde durch Joachim Richborn begonnen und 1684 von Arp Schnitger fertiggestellt. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie mehrfach überarbeitet und ist mittlerweile stark zerschlissen. Im Sinne der ursprünglichen Erbauer soll sie in den nächsten Jahren rekonstruiert werden.
Als die Bevölkerung Elmshorns im 18. Jahrhundert stärker anwuchs, reichten die Sitzplätze in der Kirche nicht mehr aus und 1733 wurde an der Südseite die „Neue Kirche“ oder „Schifferkirche“ angebaut. Der Bau finanzierte sich komplett durch den Verkauf der Stände, also der Sitzplätze.
Ein neuer Turm im gotischen Stil wurde 1881 gebaut. Schon wenige Jahre später stand aber die Frage im Raum, ob die stark sanierungsbedürftige Kirche abgerissen und ein neues Kirchengebäude an den jüngst errichteten Turm angebaut werden sollte. Ein Gutachten des Provinzialkonservators Prof. Dr. Richard Haupt bescheinigte der Kirche „nur einen geringen künstlerischen Bauwert[2]“. 1908 beschloss das Kirchenkollegium den Abriss des Kirchenschiffes. Der Vorläufer des Landeskirchenamtes, das Konsistorium in Kiel, forderte allerdings ein weiteres Gutachten ein, das zu dem Schluss kam, dass die baulichen Bedingungen für eine Erneuerung gut seien und eine „befriedigende Wiederherstellung[3]“ mit vergleichsweise geringen Mitteln möglich gemacht werden könne.
1912/13 wurde die Kirche innen einheitlich und einladender gestaltet. Die gesamte Ausmalung vom Fußboden über die Bänke und Fenster bis hin zur Tonnendecke, die mit kunstvollen Ornamenten in zahlreichen Varianten geschmückt wurde, übernahm Prof. August Oetken. Die engen geschlossenen Bankreihen wichen einer übersichtlicheren offeneren Aufteilung. Die Kanzel wurde verlegt und der riesige Tonnenofen durch eine Zentralheizung ersetzt. Elektrisches Licht unterstützte den helleren, freundlicheren Eindruck der Kirche.
In der Zeit des Nationalsozialismus gab es in St. Nikolai sowohl Befürworter des NS-Regimes wie auch gedämpfte Kritik, jedoch keinen offenen Widerstand. Die Kirche fiel nicht direkt den Bomben zum Opfer, die Druckwellen des Bombenangriffs in der Nacht zum 3. August 1943 beschädigten jedoch das Dach und etliche Fenster.
1945 stand St. Nikolai einmal mehr im Zentrum des Geschehens. In den letzten Kriegstagen taten sich NSDAP-Gegner zusammen, um unter hohem Risiko für ihr eigenes Leben ihre Heimatstadt zu retten. Sie druckten verbotenerweise Flugblätter, die die Bevölkerung dazu aufriefen, weiße Tücher aus den Fenstern zu hängen, um den herannahenden Engländern ihren Friedenswillen zu signalisieren. Arthur Geißler (KPD) und Erich Arp (SPD) bestiegen den Turm von St. Nikolai, um in allen vier Himmelsrichtungen weiße Bettlaken aufzuhängen. Ein antifaschistischer Ordnungsdienst wurde gegründet. Heute erinnert eine Gedenktafel vor der Kirche an diese in Norddeutschland einmalige Selbstbefreiung einer Stadt von der Nazi-Herrschaft.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in Elmshorn neben der Stiftskirche von 1890 vier weitere evangelische sowie eine katholische Kirche gebaut. Dennoch blieb St. Nikolai der Mittelpunkt der Stadt. Auf dem Platz vor St. Nikolai fanden und finden zahllose Märkte, Veranstaltungen und Demos statt.
St. Nikolai ist sicherlich das zentralste und prägendste Bauwerk Elmshorns, ein Relikt aus alten Zeiten inmitten des sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändernden Stadtbilds. Damals wie heute ist die Kirche auf das Engagement und die Spenden der Elmshornerinnen und Elmshorner angewiesen, um das schöne alte Gebäude erhalten zu können.
Für viele Menschen ist gerade dieses Gotteshaus auch ein Ort, an dem inmitten des Lebenstrubels das Verlangen nach einer Pause vom Alltag, Ruhe und Besinnung erfüllt werden kann.
Dem Wunsch vieler Menschen nach einem vielfältigen Angebot über die klassischen Gottesdienste und Konzerte hinaus möchte der Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf entgegenkommen. Seit 2019 hat Elmshorn eine Citykirchen-Pastorin. Mirjam Kull, die mit ½ Stelle für St. Nikolai und ½ Stelle für die Citykirchen-Arbeit tätig ist, möchte Diskussionsrunden, Vorträge und Partys anbieten: „ Dieses Leben, was da um die Kirche herum stattfindet, das will ich ganz gern in die Kirche hereinholen – eine Brücke bauen, eine Verbindung herstellen.[4]“
[1] Konrad Struve: Die Geschichte der Stadt Elmshorn. 1935- 1956; I 84
[2] Struve, Konrad: Geschichte der Stadt Elmshorn. 1935 – 1956. III 69
[3] Voigt, Wilhelm: Gutachten über die Kirche in Elmshorn vom 26.11.1908
[4] Interview mit Mirjam Kull 2019