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Vom alten Mettwursthaus zum modernen Textilgeschäft

Der Hunger auf Fleisch führte 1886 zu diesem sehr stattlichen und repräsentativen Geschäfts- und Wohnhaus in der Königstraße 31. Verzehrten die Deutschen Anfang des 19. Jahrhunderts nur 14 Kilogramm Fleisch pro Person im Jahr, so stieg die Menge bis 1900 auf 44 Kilogramm an. Das Schlachtergewerbe erlebte einen großen Aufschwung ebenso wie die industriellen Schlachtbetriebe.

Emanuel Schmidt und seine Ehefrau Johanna, geb. Bockel, ließen 1886 das repräsentative Geschäfts- und Wohngebäude in der Königstraße 31 errichten. An dieser Stelle stand früher das Pastorat umgeben von Lindenbäumen, von denen noch einige trotz der neuen Bebauung im Garten der Königstraße 31 stehen geblieben waren.

Im Jahre 1870 erhielt Elmshorn die Stadtrechte. Infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs verschwanden alte Gebäude aus dem Stadtbild und es begann ein regelrechter Bauboom. Um 1884 wurde auch das alte Pastorat abgerissen. Gegen das Höchstgebot von 38.100 Mark erhielt der Schlachtermeister Emanuel Schmidt den Zuschlag für den Kauf eines Teil dieses Grundstücks.

Der Schlachter Emanuel Schmidt ließ 1886 das repräsentative Wohn- und Geschäftshaus in der Königstraße 31 errichten. Seine Tochter Bertha Junge, geb. Schmidt, steht mit ihren Söhnen Christian und Roloff im Eingang auf den Treppenstufen. Aufnahme um 1914. Foto: Privatbesitz

Postkarte um 1900 mit Blick in die Königstraße Richtung Osten. Rechts das Gebäude Nummer 31 von Schlachter Emanuel Schmidt, dahinter das große Gebäude der Post. Foto: Privatbesitz
Emanuel Schmidt im Alter von 22 Jahren (Mitte). Ausschnitt aus einer Daguerreotypie 1854, links Neel Greve, rechts Hinrich Kruse, der später nach Australien ausgewandert ist. Foto: Vereinigung für Familienkunde

Emanuel Schmidt wurde am 20. August 1832 in Elmshorn nur wenige Häuser weiter in der Königstraße 37 geboren. In dem kleinen zweistöckigen Wohn- und Geschäftshaus betrieb er, wie schon sein Vater, eine Schlachterei und Talglichtmacherei. Im Alter von 54 Jahren zieht Schmidt mit seiner Familie und dem Schlachterbetrieb in die neuen Gebäude in der Königstraße 31.

Das neue Haus

Neben dem Haus von Emanuel Schmidt befand sich zur rechten Seite die Post und zur linken Seite der verwilderte Garten des Lederfabrikanten Strecker. Der stattliche Bau selbst trug über der Tür auf dem Sims des Erkers die Inschrift „Em. Schmidt 1886“. Die Schlachterei lief sehr gut, vor allem war die Mettwurst von Emanuel Schmidt über die Grenzen der Krückaustadt hinaus begehrt. Als Schmidt seinen Betrieb einstellte, soll er seinem Gesellen Claus Dölling das Rezept überlassen haben. Dölling eröffnete eine Schlachterei mit Ladengeschäft am Sandberg, die schnell zu einer großen Wurstfabrik expandierte.

Emanuel Schmidt mit Ehefrau Johanna und den Kindern Christian und Bertha im Garten in der Königstraße 31. Im Hintergrund die großen alten Buchen jenseits der Krückau, davor der Steg und das Gartenhaus. Für die Kinder war der weitläufige Garten mit Hund, Katzen, Ziegenlämmern und Gänsen ein Spielparadies. Aufnahme um 1894. Foto: Privatbesitz

Emanuel Schmidt baute großzügig: Im Erdgeschoss befanden sich Geschäftsräume und, ebenso wie im Obergeschoss, auch Wohnräume für Familie und Personal. Rechts neben dem Haus führte eine Auffahrt zum Hof. Hier lagen die Gebäude der Schlachterei mit Schweinestall. Für den eigenen Bedarf gab es einen Hühnerstall mit Auslauf. Hinter dem Hof reichte der Garten bis über die Krückau hinweg.

1905 starb Emanuel Schmidt, seine Ehefrau Johanna und Tochter Bertha blieben im Haus wohnen. Zwei Jahre später heiratete Bertha Eduard Junge, den Sohn der Holzmühle Junge. 1924, nach dem Tod der Witwe Johanna Schmidt, wurde das Haus mit dem Grundstück an den Kaufmann Christian Christiansen verkauft.

Blick von dem Steg über die Krückau (heute etwa Ufer bei „Ramelow“) nach Osten. Vom Garten Königstraße 31 führte eine kleine Brücke nach dem anderen Ufer. Links die Befestigungsmauer der Post. Rechts das Ufer der alten Pastoratswiesen (heute Probstendamm). Ganz im Hintergrund die Säge-Windmühle von Junge (heute „Holz-Junge“). Foto: Privatbesitz
Die Tochter Bertha Junge, geb. Schmidt, mit ihren Kindern im Garten. Auf dem Arm Henny Junge, daneben Roloff Junge mit seiner Katze im Arm und Christian Junge vor dem Gartenhaus. Im Hintergrund jenseits der Aue die beiden alten großen Buchen. Aufnahme 1921. Foto: Privatbesitz
Der alte Pastorensteg führte vom Garten Königstraße 31 hinüber zum anderen Krückauufer. Hier hatte Schmidt das ehemalige Wiesengrundstück des Pastorats gepachtet. Das Gartenhaus im Hintergrund hatte er aus alten Türen und Brettern des ehemaligen Pastoratsgebäudes gebaut. Dort aß die Familie im Sommer zu Mittag. Aufnahme 1921. Foto: Privatbesitz
Kaffeedose aus der Sammlung des Industriemuseums Elmshorn

„Thams & Garfs“

Der Neubau von Herman Allwardt in der Königstraße 31 zwischen der Post und dem 1928 errichteten Gebäude von „Ramelow“ um 1945. Foto: Per Koopmann, StA Elmshorn

Die weitere Geschichte der Nummer 31 ist eng verbunden mit der Familie Allwardt. Deren Patriarch, der 1896 geborene Hermann Allwardt, Inhaber einer Filiale des Hamburger Kaffee-Lagers „Thams & Garfs“, betrieb bereits seit 1914 einen Kolonialwaren­laden in der Königstraße Nr. 23. Die dortigen Räumlichkeiten reichten aufgrund der stetig wachsenden Kundschaft jedoch bald nicht mehr aus, sodass Allwardt seit 1933 für seinen Geschäftsbetrieb auch die inzwischen leer stehende Nr. 31 nutzte.

Allwardt kaufte das Grundstück Nr. 31 und ließ das Haus 1934 abreißen. In den Neubau mit großer Ladenfläche und Schaufenstern verlegte die Familie auch ihren bisherigen Wohnsitz aus der Königstraße Nr. 23 an die neue Adresse. Im Keller des Grundstücks wurde ein sogenannter ‚Schutzraum‘ gebaut – ein mit Sitzbänken ausgestatteter Raum von etwa 500 m2 mit verstärkter Decke. Während des Zweiten Weltkrieges wurde dieser als defacto-Luftschutzbunker genutzt, in dem sich mehrere Elmshorner Bürger*innen vor Luftangriffen in Sicherheit brachten. Da das Grundstück über den Hinterhof direkt an der Krückau gelegen ist, wurden auch Sicherheitsmaßnahmen gegen Überflutungen getroffen: Vor dem Geschäft in den Boden eingelassene Schienen konnten bei Hochwasser dazu genutzt werden, Schotten einzustecken, und im Hof lagen für den Notfall stets Sandsäcke bereit.

Der Lieferwagen von „Thams & Garfs“ hinter dem Haus in der Königstraße 31. Die Anlieferung erfolgte über die eigene Krückaubrücke. Foto: Privatbesitz
Auch Familie Allwardt konnte bis zur Anlage des Probstendamms noch den eigenen Garten auf der anderen Seite der Krückau nutzen. Foto: Privatbesitz
Baubeginn auf der Südseite der Krückau. Die Materialien für die Anlage der neuen Straße „Probstendamm“ auf dem ehemaligen Wiesengelände sind bereits angeliefert. Foto: Privatbesitz
Das Gebäude von „Thams & Garfs“ grenzte direkt an den Ramelow-Bau. Foto: Per Koopmann, StA Elmshorn
Das Schaufenster von „Thams & Garfs“ war mit einem Lichtschalter ausgestattet: Passanten konnten in der Dunkelheit das Licht einschalten, um das Warenangebot trotz Geschäftsschluss in Augenschein zu nehmen. Aufnahme 1964, Foto: E.-G. Scholz

Die Königstraße Nr. 31 wurde von der Familie Allwardt auch über die kommenden Jahrzehnte bis in die 1960er Jahre als Kolonialwarenladen und Wohnsitz genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Hans Heinrich Thams die Leitung von „Thams & Garfs“ und ließ 1965 mehrere Umbauarbeiten am Gebäude vornehmen. Im selben Jahr übergab er die Geschäftsleitung des Kolonialwarenladens – nunmehr im Sprachduktus der damaligen Zeit ein Einzelhandelsgeschäft – an Hans Poeszus.

Die Ära „Thams & Garfs“ endete schließlich 1970, als das Geschäft an die Meierei C. Bolle der Berliner Handelsfamilie Wehrhahn verkauft wird.

Später übernahm das benachbarte Textilgeschäft „Ramelow“ das Gebäude und baute es entsprechend um. Heute zeugen nur noch die Hausnummer 31 und der markante Erker von dem einst eigenständigen Bau. Aufnahme 1985, Foto: E.-G. Scholz

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