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Das Haus mit dem Blitz

Jahrzehnte wurde die Hausfassade des viergeschossigen Eckgebäudes an der Königstraße/Berliner Straße geziert von einem Blitz. Dieses Sinnbild der Elektrizität wurde ergänzt mit dem Schriftzug: „Elektro Meyn“. Bereits 1911 eröffneten hier die Brüder Hermann (Elektro-Ingenieur) und Johann Meyn (Maschinenbau-Ingenieur) ein Groß- und Einzelhandelsgeschäft mit angegliederter Werkstatt. 1960 zogen die Werkstatt-, Büro- und Lagerräume in die Berliner Straße 18 (Ecke Schlossstraße) um. 1977 wurde das Familienunternehmen verkauft. Heute befindet sich in der Königstraße 13 unter anderem ein Friseursalon.

Blick auf das charakteristische Wohn- und Geschäftshaus der Gebrüder Meyn an der Ecke Königstraße/Berliner Straße 1964. Foto: E.-G. Scholz

1908, in einer Zeit, in der die Elektrifizierung noch in den Kinderschuhen steckte, eröffnete Hermann Meyn (1884-1970) sein erstes Fachgeschäft für Elektroartikel in Neuendeich bei Uetersen. Einer seiner ersten Aufträge: auf dem Hof seines Vaters Matthias, auf dem er gemeinsam mit seinen zehn Geschwistern aufgewachsen war, installierte er eine Stromerzeugungsanlage. Zwei Jahre später verlegte Meyn sein Geschäft nach Elmshorn in die Mühlenstraße 2.

Im Laufe der Jahre wurde das Stromnetz stetig erweitert, was zu einer Vielzahl an Aufträgen für Hermann Meyn führte. Schon kurze Zeit nach seiner Geschäftseröffnung in Elmshorn machte er sich auf die Suche nach erweiterten Geschäftsräumen. 1910 kaufte er gemeinsam mit seinem älteren Bruder Johann (1872-1962) das Grundstück der Königstraße 13, wo noch im selben Jahr der Neubau eines auffälligen Hauses mit Glockendach, Balkonen und Erkern aus Sandstein begann. Gemeinsam ließen die Brüder am 1. Januar 1911 die Firma „Gebrüder Meyn“ handelsgerichtlich eintragen. Im Erdgeschoss befanden sich Kontore und eine Verkaufsfläche, während die Kellerräume als Lager und Werkstatt genutzt wurden. Die Familien bewohnten die oberen Stockwerke des Hauses. 1920 wurde die Anlage um eine zum damaligen Zeitpunkt moderne Werkstatt mit Maschinen auf dem Hofgelände (heute Berliner Straße) ergänzt.

Mit dem Ausbau der Berliner Straße verkleinerte sich die Fläche im Erdgeschoss. Seither führt der Bürgersteig unter dem Gebäude entlang. Foto: Teja Sauer 2020, Sammlung IME
Der junge Johann Meyn posiert im Fotostudio mit der Konstruktionstafel eines Dampfmaschinenzylinders, um 1905. Foto: Privatbesitz

Gemeinsam führten die Schwägerinnen Bertha und Agnes Meyn das Ladengeschäft, während die Brüder für die technischen Arbeiten zuständig waren. Die Angebotspalette der Gebrüder Meyn reichte von Elektroinstallationen von Neu- und Großbauten sowie Industrieanlagen über Schiffselektronik, dem Bau von Spezialschaltgeräten und Blitzschutzanlagen bis hin zu Schalttafelbau und Ankerwickelei für Elektromotoren. Sowohl Hermann als auch Johann Meyn meldeten unterschiedliche Patente an.

Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges gehörten Schiffsinstallationen und die städtischen Industriebetriebe zu den größten Aufgabengebieten der Firma. Seit 1943 beschäftigte die Firma „Elektro Meyn“ Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Durch die Arbeitskraft der Zwangsarbeitenden konnte der Betrieb aufrechterhalten werden, auch wenn die Angestellten zum Kriegsdienst eingezogen waren.

Nachdem der Verkaufsumsatz seit 1948 wieder stieg, sorgte die Wirtschaftswunderzeit der 1950er Jahre für weiteren betrieblichen Aufschwung. Bis dahin vermietete Ladenflächen im Erdgeschoss wurden 1952 übernommen und in das Geschäft integriert. Weitere zwei Jahre später trat Hermanns Sohn Helmut Meyn als Teilhaber in das Geschäft ein und die Firma wurde in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt.

Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung machte sich nicht nur in steigenden Auftragszahlen bemerkbar, sondern ging auch mit städtebaulichen Erneuerungen einher: die Berliner Straße wurde ab Ende der 1950er Jahre ausgebaut, womit die Geb. Meyn räumliche Einbußen hinnehmen mussten und Teile ihrer Werkstattgebäude verloren.

Um weiter zu expandieren, machte sich die Firma Meyn knappe 40 Jahre nach ihrer Gründung erneut auf die Suche nach einem Grundstück, welches mit der Berliner Straße 18 (Ecke Schloßstraße, beim Kranhaus) in unmittelbarer Nähe gefunden war. Innerhalb eines Jahres wurde das vorhandene Gebäude entsprechend den Anforderungen umgebaut, sodass im Frühjahr 1960 der Umzug „in die hellen und modernen Büroräume“ erfolgen konnte. Ein übersichtliches Materiallager sowie eine große Werkhalle konnten wenig später in Betrieb genommen werden. Das Verkaufsgeschäft mit Elektrowaren behielt seinen Sitz im Stammhaus der Firma.

Zu Beginn der 1960er Jahre beschäftigten die Geb. Meyn mehr als 70 Angestellte, darunter um die 20 Auszubildenden. Als Familienunternehmen lagen der Geschäftsleitung auch ihre Mitarbeiter*innen am Herzen, die seit 1958 ab acht Jahren Betriebszugehörigkeit eine zusätzliche Altersversorgung erhielten.

Der Blitz war das Markenzeichen der Firma „Elektro Meyn“. Elmshorner Adressbuch von 1959, Sammlung IME

Bereits Ende der 1960er Jahre gehörten 140 Angestellte zu dem Betrieb.

Bis zu seinem Tod zu Beginn der 1970er Jahre lebte Hermann Meyn in seiner Wohnung über dem Geschäft. Den Verkauf der Firma „Gebr. Meyn Elmshorn“ sowie des Geschäftes „Elektro Meyn“ im Jahr 1977 erlebte er nicht mehr. Als Nachfolger übernahm das „Elektrohaus Zentrum“ das Geschäft in der Königstraße 13, bevor es 1999 in die Reichenstraße umzog. Heute sind die Ladenzeilen des Eckgrundstücks wieder geteilt. In dem vorderen Teil befindet sich der „Boost x Friseur“, die hintere Ladenfläche steht derzeit leer.

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